Weichei: Roman (German Edition)
Chitara-Jakobsmuschel mit gehobeltem Fenchelsalat an Tonkavinaigrette und Perigord-Trüffel-Remoulade.
Und als Nachspeise noch ein geachteltes Tahiti Topfeneissorbet.
Weil zwar keiner weiß, was der Mist im richtigen Leben war, aber es bestimmt unglaublich lecker ist.
Zweitens: Wenn meine Partnerin bei einem Restaurantbesuch mit der besten Steakkarte der Stadt sich für ein kleines Wellnessmenü, bestehend aus vier Dezimetern Bio-Hecke, dem einem Massaker zum Opfer gefallenen Maiskolben und einer naturtrüben Apfelschorle, natürlich mit stillem Wasser gemischt, entscheidet.
Drittens: Rohkost und Sushi, was für mich irgendwie auf das Gleiche hinausläuft.
»Ich dachte mir, dass du bestimmt auf deine Gesundheit achten musst. Piloten müssen doch schließlich körperlich fit sein.«
Fit ja, aber kein Laufstegmodel mit neunundvierzig Kilo, denke ich mir und lächle weiter stumm.
Jana schiebt mir derweil die Speisekarte zu, die formschön in ein braunfaseriges Kokosblatt eingefasst ist. Das Auge bestellt schließlich mit. Neben den Speisen kann man demnach auch Schleuderhonig und kalt gepresste Öle sowie diverse Nussarten im hauseigenen Shop käuflich erwerben. Man könnte sich natürlich auch alternativ einen Beutel Zoofutter am Automaten direkt neben dem Bärengehege ziehen, wenn man es sich schon unbedingt schlecht machen möchte. Das wäre billiger, und man würde den asiatischen Kragenbären noch was Gutes tun.
»Hier!« Jana deutet mit dem Zeigefinger auf die Hauptgerichtseite. »Rispenhirse zum Beispiel. Das ist total gesund und aufgrund des hohen Eigenölanteils an ungesättigten Fettsäuren wahnsinnig nahrhaft. Und es ist auch noch reich an lebenswichtigen Mineralien wie Magnesium, Kalium oder Eisen.«
Prima, denke ich. Noch ein wenig Ammoniak und Lauge dazu, und ich habe einen Chemieexperimentierkasten zusammen, mit dem ich Zaubertinte und andere verblüffende Dinge herstellen kann.
»Es soll auch gut für Personen mit Magen-Darm-Problemen sein.«
Die bekomme ich höchstens, wenn ich diesen Rollrasen esse. Aber das denke ich nur und sage stattdessen: »Super!«
»Und weißt du, was das Beste ist?«
Ich schüttle ängstlich den Kopf. Kann es denn tatsächlich noch etwas Besseres geben? Vielleicht einen Furunkel im Gesicht oder eine eitrige Zyste am Hintern?
»Die haben hier Bier…«
»Aha.«
Okay, das klingt tatsächlich besser. Zunächst freue ich mich auch darüber. Schließlich gibt mir dies die Chance, den Abend eventuell wenigstens im Rausch halbwegs ertragen zu können. Doch dann erkenne ich, dass dies nicht alles gewesen ist, denn Jana hat auf einmal diesen besonderen Blick, der sagt: Es kommt noch was!
»… aus Rispenhirse. Die brauen hier ein eigenes, glutenfreies Bier aus Rispenhirse.«
Glutenfreies Bier. Aus Hirse. Was zur Hölle das auch immer zu bedeuten hat, es wird definitiv nicht in einem Rausch enden. Schweinerei, dass jetzt anscheinend auch schon Bäcker und Müller Bier brauen dürfen. Was ist mit diesem Reinheitsgebot, für das immer auf den Bierdeckeln geworben wird? Für was haben sich Generationen von deutschen Bierbrauern denn den Kopf zerbrochen? Bestimmt nicht, um eine glutenfreie Plörre aus Rispenhirse zu kreieren, die nicht mal ein klein wenig ballert.
Eine Bedienung, die mit ihren drei bunt geflochtenen Rastazöpfen
wie der Refrain von »Let it be« aussieht, tritt zu uns an den Tisch. Zu meiner Verblüffung schafft sie es aber, unsere Bestellung ohne Notizblock und weitere Nachfrage aufzunehmen. Da sage noch einer, Kiffen mache dumm.
Jana bestellt sich Hirsotto mit Waldpilzen an geriebenem Parmesan. Ich entscheide mich für die Hirsebratlinge. Und das aus zwei Gründen:
Erstens: Es ist das einzige Gericht auf der Karte, das den Zusatz Brat enthält und somit zumindest die Illusion eines echten Essens suggeriert.
Zweitens: Ich hoffe, dass dem Koch ein Malheur passiert und er aus Mangel an Hirsekörnern ein wenig Hackfleisch in den Bratling hineinmogelt.
Während ich die Wartezeit mit der Frage überbrücke, ob es im Goldenen Halm überhaupt einen richtigen Koch gibt, erklärt mir Jana die Grundzüge der Rohkosternährung.
»Eigentlich ist das hier gar kein reines Rohkostrestaurant. Denn sonst dürfte man die Lebensmittel überhaupt nicht erhitzen.«
Nein, einen Koch benötigt man nicht. Wahrscheinlich sitzt ein Bäckerlehrling im ersten Lehrjahr in der Küche. Schließlich muss man ja mehr von Körnern und deren Innenleben verstehen als vom
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