Weichei: Roman (German Edition)
reißt mich aus meiner aufkeimenden Mittelalterseuche und leitet binnen Sekundenbruchteilen eine Blitzheilung ein.
Surf ’n’ Turf? Ob ich das kenne? Meine Vorstellung vom Paradies ist es, dort mitsamt meiner Schrankwand einziehen zu dürfen. Oder, um es noch besser zu verdeutlichen: Wenn ein Rind jemals einen Spenderausweis für Körperteile ausstellen könnte – es würde definitiv Surf ’n’ Turf als Empfänger eintragen lassen. Denn das Beste, was ein Filet werden kann, ist ein Steak in der legendären Zehn-Kräuter-Krustenmarinade dieses Restaurants.
»Schon von gehört«, antworte ich mit gespielter Gleichgültigkeit und schlucke mühsam die nächste kleinkörnige Gabelspitzendosis
herunter, als hätte ich eine hartnäckige Angina zu verkraften, die jegliches Schlucken zu einer schmerzvollen Qual werden lässt.
Nach zwanzig weiteren wiederkäuenden Minuten habe ich es geschafft und meinen eigenen Slow-Food-Rekord gebrochen. Der wurde bisher von einem versalzenen Hühnchenragout gehalten, das ich in einem nach Urin riechenden Vorort von Marseille zu mir nehmen musste. Ein Mann sollte nichts essen, das phonetisch nach Tofu oder Quark klingt.
Die Rasta-Bedienung kommt zu uns an den Tisch, um die Teller abzuräumen. Dabei schafft sie es sogar, noch entspannter auszuschauen als bei der vorherigen Bestellungsaufnahme. Könnte gut sein, dass sie dem Koch sämtliche Kräuter weggeraucht hat und das vielleicht der Grund für mein geschmacksneutrales Essen war.
»War alles tutti bei euch?«
»Alles prima.« Jana nickt, und ich bin zu schwach, um zu widersprechen.
»Könnte ich dann bei euch gleich kassieren?«
»Kein Problem.« Jana unternimmt den Versuch, die Rechnung zu begleichen, was ich als Kapitän natürlich nicht zulasse und meinen Geldbeutel aus der blütenweißen Innentasche meiner Uniform ziehe.
»Sorry, wenn ich euch hetze, aber ich muss noch zu ’ner Aktion.«
Ich begleiche die Rechnung und überlege, wo mitten im Winter zu dieser späten Stunde in Frankfurt noch eine Aktion stattfinden könnte. Die Startbahn West ist gebaut, und am Main stranden zu dieser Jahreszeit nur sehr wenige Wale, die man zurück ins Wasser schieben müsste.
Ein seltsamer Abend neigt sich dem Ende zu. Ich sitze in einer geliehenen Kapitänsuniform in einem Rohkostrestaurant
und habe in vollem Bewusstsein Seuchen auslösende Nahrung zu mir genommen.
Spätestens in diesem Moment wird mir bewusst, dass ich Jana wirklich gern haben muss. Sehr gern sogar.
22
Der Held der Spätschicht
E s war ein toller Abend. Nach dem Körnerinferno haben Jana und ich uns ein Zimmer in einem Innenstadthotel genommen. Ich bin mir nicht sicher, ob jemals die aphrodisische Wirkung von Hülsenfrüchten getestet wurde, aber ich muss sagen, mein Maiskolben reagierte durchaus angetan auf Kleie und Co. Wir hatten eine äußerst belebte Nacht voller fleischlicher Gelüste. Veganisch gesehen also eine Katastrophe. Komischerweise hatte Jana damit aber keine Probleme. Sie musste früh aufstehen, und ich fuhr nach Hause, um in meinem heimischen Bett wenigstens ein Mindestmaß an Schlaf zu erhalten.
Ich muss mich irgendwo zwischen Tiefschlaf- und REM-Phase befunden haben, als mich ein netter UPS-Mitarbeiter mit sprachlich unüberbrückbaren Hürden darüber informieren will, dass er ein Paket für mich habe und mit einer Klingelorgie meine nicht vorhandene Nacht beendet.
»Habe Pake fur Sußemil, konne aufmache?«
Wahrscheinlich, weil ich mich noch im Traumland wähne, drücke ich den Türöffner, und ein Mann in brauner Uniform schlüpft in den Hausflur. Kurz darauf hält mir ein Pakistani ein Display unter die Nase und grinst breit.
»Habe Pake fur Sußemil, konne annehme?«
»Ein Paket für mich?«, erwidere ich halb erstaunt, halb schlaftrunken.
»Sußemil?»
»Ja, das bin ich.«
»Okay, dann habe Pake fur dik. Konne annehme?«
Schnell überprüfe ich noch die Anschrift auf dem Paket und stelle fest, dass es tatsächlich für mich bestimmt ist. Vielleicht ist es von meiner Mutter, die mir noch die restlichen Lagerbestände an Leberwurstdosen der Metzgerei Paul Roth zukommen lassen will.
Ich unterschreibe, und der pakistanische Paketfahrer verschwindet wieder im Treppenhaus.
Als ich das Paket öffne und ein überdimensioniertes Logo meine Netzhaut blendet, wird mir schlagartig bewusst, was ich hier in Händen halte.
Das MuscleMaster-X-2000-Set. Inklusive Batterien, Wadenpads sowie eines kompletten zweiten Sets. Habe ich den Mist
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