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Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit

Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit

Titel: Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegund Keul
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Fall. Er hat keine militärische Gewalt, mit der er sich gegen drohende Angriffe zur Wehr setzen könnte; er hat kein Geld für Top-Anwälte oder zur Bestechung von Richtern; er hat keinen Besitz, hinter dessen Schutzmauern er sich verschanzen könnte. Sein öffentliches Auftreten macht ihn öffentlich verwundbar.
    Eine prekäre Mischung aus Kritik an der eigenen Religionsgemeinschaft 20 und Kritik an den Machtwirkungen des politischen Systems führt dazu, dass Jesus gefangen genommen und vor Gericht gestellt wird. Sein Kreuz wird mit den Worten beschriftet: »Das ist Jesus, der König der Juden.« (Mt 27,37) Dies soll den Grund angeben, warum Jesus getötet wird: Religiös wird ihm der Vorwurf gemacht, dass er sich mit Sündenvergebung und messianischem Verständnis an die Stelle Gottes setzt; und politisch, dass er die herrschende Staatsmacht in Frage stellt. Erneut ist Jesus, wie schon bei der Geburt, mit dem Tod durch Menschenhand bedroht. Hiervon erzählt das Neue Testament besonders ausführlich. Die Passionsgeschichte Jesu, sein Leiden bis zum Tod am Kreuz, nimmt in allen Evangelien auffällig breiten Raum ein. In der Exegese heißt es sogar, das Markus-Evangelium sei eine Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung – so wichtig ist der Weg zum Kreuz. Diese Gewichtung ist zugleich theologisch und human begründet.
    Der Weg, der mit der Krippe begann, führt konsequent zum Kreuz. Es ist der »worst case der Inkarnation«, wie Günter Thomas dies ausdrückt (Thomas 2007, 175). An Weihnachten wird Jesus Christus der Schwachheit des Fleisches ausgesetzt. Mit der Kreuzigung wird er der Grausamkeit der Menschen ausgeliefert – was kann es Schlimmeres geben? Konsequent läuft die Geschichte ihrem schlimmstmöglichen Ende entgegen. Das Kreuz ist eine äußerst brutale Methode der Tötung eines Menschen. Zugleich bedeutet sie soziale Ächtung: gekreuzigt zu werden war eine Schande, eine Schmähung. Römische Staatsbürger blieben zumeist davon verschont. Nur Terroristen und Kapitalverbrecher, die in besonderer Form mit Ächtung gezeichnet werden sollten, kamen ans Kreuz.
    Doch die Verwundungen beginnen schon früher, schon vor der Verhaftung Jesu. Und sie gehen besonders tief, weil sie aus den eigenen Reihen kommen. Am Anfang steht der Verrat durch Judas Iskariot, der die Gefangennahme ermöglicht. Nach biblischem Zeugnis geht er zu den Hohenpriestern und fragt: »Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreißig Silberstücke. Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern.« (Mt 26,15 f) 21 Er wird zum Handlanger der finsteren Absichten seiner Gegner. Dabei stellt die Bibel heraus, dass Jesus den Verrat vorher erahnt hat. In der Jesusgemeinschaft gab es offensichtlich Spannungen und konträre Auffassungen in der Frage, wie man sich positionieren und verhalten solle – sowohl bezüglich der eigenen Religionsgemeinschaft als auch gegenüber der Besatzungsmacht, die vor Grausamkeiten aller Art nicht zurückschreckte.
    Ein Verrat aus den eigenen Reihen ist eine tiefe Verwundung. Sie rührt an das Vertrauen, das für das menschliche Zusammenleben so entscheidend ist, und kann es nachhaltig zerstören. Mit der Opposition von Gegnern rechnet man von vornherein, wenn man sich prominent in der Öffentlichkeit positioniert. Doch man hofft darauf, dass die eigenen Freundinnen und Freunde, Vertraute und Verbündete, bei der Stange bleiben. Wird man dann verraten, so trifft dies besonders hart. Wem kann man denn noch vertrauen, wenn der Verrat bis in den innersten Kreis der Zwölf vorgedrungen ist?
    Aber gerade in einer Situation, die so brenzlig geworden ist wie bei Jesus, liegen Verrat und Verleumdung nahe. Alle, die mit Jesus verbunden sind, müssen befürchten, dass die Gewalt auf sie übergreift und dass sie ebenfalls verletzt werden. Hier meldet sich schnell der Selbstschutz zu Wort. Denn mit einem Verrat kann man die eigene Haut retten, vielleicht aber auch mit einer Verleugnung. Das ist das Problem, vor dem Petrus exemplarisch steht. Er hatte sich früher ausdrücklich zu Jesus als dem Messias bekannt, auch wenn er dabei den Tod lieber verdrängen wollte. Als Jesus ihm während des Abschiedsmahles prophezeit, dass er ihn vor dem nächsten Hahnenschrei dreimal verleugnen werde, kann Petrus das selbst nicht glauben. Aber als es kurz darauf so weit ist und er gefragt wird, ob er den festgenommenen Jesus kennt und wie er zu ihm steht, da geht ihm die Verleugnung

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