Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
großen Tasche.
Und dann ging alles glatt und schnell.
«Da haben wir ja ein richtiges Christkind», sagte er und legte mir etwas Warmes, Weiches in die Arme, an die Brust.
Und nun ganz plötzlich fühlte ich etwas.
Dieses Warme, Weiche in meinen Armen fing an zu weinen, und es waren so liebliche Töne.
«Mein schönstes Geschenk», mußte ich denken, «ein Geschenk meines Mannes oder ein Geschenk des Himmels?»
Mein kleiner Sohn. Zärtlich drückte ich ihn an mich, meinen kleinen Sohn. Und nun wußte ich plötzlich, daß ich leben mußte, stark sein mußte für diesen kleinen Sohn.
Jetzt sah ich auch den Weihnachtsbaum und die kleinen Jäckchen und Mützchen darunter.
Der Schein der Kerzen fiel auf ein Bild an der Wand, das Bild meines Mannes, und nun weinte ich, aber es war nicht nur Trauer oder Erlösung, es war auch Freude in mir, und in der Ferne hörte ich die Kirchenglocken läuten und dachte: «Frieden auf Erden.»
Regina Heider
Mein schönstes Weihnachtserlebnis
1950, eine Zeit, in der es hier in Deutschland sehr, sehr viel Armut gab. Ich war gerade zehn Jahre alt, und auch wir waren nicht gerade begütert, aber immerhin, wir hatten unser Auskommen, meine Mutter, mein Bruder und ich.
Damals gab es in unserer Stadt eine Kaserne; sie wurde «Tausend-Mann-Kaserne» genannt, woher der Name kam, weiß ich bis heute nicht. Hier jedenfalls wohnten überwiegend die Ärmsten der Armen und auch Menschen, die es, aus welchen Gründen auch immer, in unsere Stadt verschlagen hatte, die entweder auf einen geeigneten Wohnraum warteten oder, alleinstehend, sich hier einigermaßen gemütlich eingerichtet hatten und bleiben wollten. Zu den letzteren gehörte auch ein Onkel von mir, es war nicht mein richtiger Onkel, aber damals wußte ich das noch nicht. Er war ein alter Seemann, und ich war oft bei ihm, denn er wußte spannendes Seemannsgarn zu spinnen und außerdem fand sich in seinem Schrank immer eine süße Leckerei, und die war damals sehr rar.
So kam es, daß ich mich mit einem gleichaltrigen Mädchen befreundete, die mit ihrer Mutter auf dem gleichen Flur wie mein Onkel wohnte. In welcher Armseligkeit diese beiden lebten, erschien mir schon damals fast unglaublich. Sie hatten nur einen Raum, in dem sich ihr Leben abspielte, und das Mädchen hatte in der kalten Winterzeit kaum warme Kleidung. Trotzdem waren die beiden der Inbegriff der Freundlichkeit, zwei herzensgute Menschen - jedenfalls habe ich es damals so empfunden.
Mein Onkel, der viel handwerkliches Geschick besaß, bastelte für Weihnachten immer die schönsten Sachen. Und zu diesen Weihnachten hatte er auch für das Mädchen eine wunderschöne Puppenstube gebaut. Wir beschlossen, da ich recht groß für mein Alter war, daß ich als Weihnachtsmann verkleidet die Bescherung übernehmen sollte, denn mein Onkel war sehr bescheiden und wollte nicht in Erscheinung treten.
Gesagt, getan. Am Heiligen Abend fand die große Verkleidung statt, natürlich nicht so professionell, wie das heutzutage der Fall ist, aber doch so, daß ich wahrhaftig nicht zu erkennen war. Ich bekam einen sauberen Kohlensack, in den außer der Puppenstube noch ein von meiner Mutter gestrickter Pullover und einige Lebensmittel und Süßigkeiten kamen.
Ich war sehr aufgeregt und wollte ja auf keinen Fall, daß ich erkannt würde. Wir lugten aus der Tür, die Luft war rein, und schon stapfte ich lautstark den Flur entlang, klopfte und stand auch schon bald im Zimmer.
Mutter und Tochter saßen bei einem kleinen, spärlich geschmückten Tannenbaum, und ich weiß noch, Bratäpfel lagen auf dem Herd; Geschenke waren keine da. Was ich sagte, weiß ich natürlich heute nicht mehr, aber es war nicht viel. Ich hatte zu große Angst, man könne mich an der Stimme erkennen.
Ich packte meinen Sack aus und verschwand recht schnell wieder.
Ich habe jedoch die Reaktion der beiden bis heute nicht vergessen; die Tränen, die über das Gesicht der Mutter liefen, und die Augen des Mädchens, voller Staunen, Freude und Fassungslosigkeit, ich kann es kaum ausdrücken.
Sie hatten mich übrigens beide unter dem Einfluß der Überraschung nicht erkannt und erfuhren nie, wer ihnen diese Freude beschert hatte.
Ich habe natürlich noch viele wunderbare Weihnachtsfeste erlebt, dieses jedoch war in meinem bisherigen Leben das eindrucksvollste.
Kurt Brinkmann
Nur ein Licht
Es lag eine ungewöhnlich milde Witterung in den Dezembertagen des Jahres 1944 über dem westlichen Rußland, dem Teil der
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