Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
stapften. Viele Schüler, die sonst mit Autos kamen, ließen sich heute von ihren Eltern chauffieren.
Mit Schneeflocken auf Haaren und Jacke und einer rotgefrorenen Nase kam ich zu Hause an. Als ich ins Wohnzimmer trat, knisterte bereits ein gemütliches Feuer im Kamin. Ellen, die Mutter, stand in der Küche und backte Weihnachtskekse. Das ganze Haus war nun richtig gemütlich und weihnachtlich gestimmt. Nur noch der Tannenbaum fehlte.
Wir fingen schon mit dem Mittagessen an, obwohl «mein kleiner Gastbruder» Jonathan noch fehlte. Plötzlich ging knatschend die Gartentür auf, wir hörten jemand angestrengt keuchen und etwas durch den Schnee schleifen. Joel guckte erstaunt um die Ecke und staunte noch mehr, als er seinen Bruder erblickte, der mit rotem Gesicht einen riesigen Tannenbaum betrachtete, der neben ihm im Schnee lag.
Überrascht sprangen wir alle auf und liefen ihm entgegen. Laut redeten wir durcheinander, bis er uns mit spitzbübischem Grinsen die ständig gerufene Frage beantwortete, woher er ihn denn nun habe. Er erzählte uns, daß dies der Schultannenbaum sei. Der Direktor hätte nicht gewußt, wohin damit, und er, Jonathan, habe ihm diese Frage sofort beantwortet. Erfreut wurde ihm und einem Freund der Baum überlassen. Eine Meile weit mußten die beiden nun diese Tanne durch den Schnee schleifen. Was wohl die anderen Leute gedacht haben? Der Baum war größer als die beiden Jungen zusammen, und zu Fuß geht in Amerika eh keiner. Aber immerhin mußte Weihnachten jetzt nicht mehr «ausfallen».
So naß wie er war konnte der Weihnachtsbaum nicht ins Wohnzimmer. Da Weihnachten immer viel zu schnell kommt, mußte der Baum auch sofort getrocknet werden. Aber bloß wie? Und wieder hatte jemand die tolle Idee, den Baum in die Garage zu stellen und dort trocken zu föhnen. Also standen meine beiden «Brüder» und ich mit Ventilatoren und Föhnen drumherum und föhnten und föhnten und föhnten... und irgendwann hatten wir es geschafft. Doch wie sollte er jetzt aufgestellt werden? Na, ein Glück, sind wir in Amerika, wo die Geschäfte Tag und Nacht geöffnet sind, und konnten noch schnell einen Ständer kaufen. Und endlich, nachdem der Weihnachtsbaum schon einige Male umgekippt war, stand er doch. Aber die Gefahr des Umkippens blieb. So durften alle, um das Wohnzimmer zu durchqueren, nicht den üblichen Weg benutzen, da der zu nah am Baum vorbeiging, sondern mußten über die Couch klettern. Nun waren wir vorbereitet, und Weihnachten konnte kommen.
Die Feier wurde sehr schön, auch wenn mein Gastvater sich die ganze Zeit über American Football anschauen «mußte». Wir hatten viel Spaß, es kam viel Besuch, Schwestern des Vaters aus allen Teilen Amerikas brachten Geschenke mit. Wir saßen gemütlich zusammen, redeten, und Freddy, unsere Hauskatze, schnurrte vor Wohlbehagen. Und dies alles erinnerte mich dann doch sehr an Weihnachten mit Euch in Deutschland.
Nun bin ich neugierig, wie Ihr, Mami, Papi, Weihnachten erlebt habt. Schreibt mir bald!
Tschüß Gundi
Klaus Tätzler
Tim und der Tannenbaum mit der blauen Kugel
Schnee fiel lautlos vom Himmel. Den Kopf fest auf beide Hände gestützt, stand der kleine Tim auf der Eckbank in der warmen Küche und blickte hinaus. Während hinter ihm die Großmutter mit allerlei Küchenarbeit beschäftigt sein mochte, versuchte er dort oben, zwischen den schnell ziehenden Wolken, ein einzelnes weißes Flöckchen, ganz fest ins Auge zu fassen und ihm hinunter, bis dort drüben, in Klausens Garten zu folgen. Manche Flocke landete weich bei ihren Brüdern und Schwestern, die schon eine gemütliche kleine Haube über dem Vordach des Eingangs bildeten, andere, die im wilden Wind daherstoben, klammerten sich an den dunklen Fichten, die das Haus überragten, fest und überzogen sie allmählich mit einer weißen Puderzuckerschicht, einige fielen jedoch in den Rinnstein oder auf die Straße und lösten sich auf, oder sie segelten in ein Fenster, schmolzen und liefen wie Tränen an den warmen Scheiben herab.
Tim hob den Kopf und stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Draußen tauchte aus dem wirbelnden Schneegestöber der große Wagen des Großvaters auf und hielt vor dem Haus. Der weiße Dampf des Autos mischte sich mit den immer dichter fallenden Flocken, und schemenhaft sah Tim den Großvater winken.
Tim glitt von der Eckbank herunter, schlüpfte schnell in seine Gummistiefel, packte Jacke und Mütze, rannte mit einem lauten «Tschüß»
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