Weihnachtsgeschichten am Kamin 04
Wieder ging Großvater um den Baum herum, zupfte hier und da an ihm. Nie im Leben hätte Großvater den Baum ins Weihnachtszimmer gestellt, ohne ihm die fehlenden Zweige zu verpassen!
Dann war es endlich soweit. Das Glöckchen läutete, die Tür wurde geöffnet und da standen sie: der Weihnachtsbaum in seinem Glanz, Großmutter mit einem verklärten Leuchten in den Augen und Großvater mit unendlichem Stolz im Gesicht, einig darin, daß es dieses Jahr der schönste Weihnachtsbaum sei, den sie je gehabt hätten!
Berthold Mund
Der «verpfefferte» Heilige Abend
Gern erinnere ich mich an die heimeligen Adventsabende meiner Kinderzeit, an den trauten Kerzenschein, spüre noch die wohlige Wärme des großen Kachelofens, höre das Summen und Brausen im Wasserkessel, der wintertags in der Röhre stand, höre und rieche das Zischen, Spritzen und Puffen der Bratäpfel, die meine Mutter immer parat hatte, schmecke jenen einmaligen Geschmack der mit Butter, Zimt und Zucker verschönten Früchte.
Ich erinnere mich an die Bescherungsprozedur, die Erfüllung großer Träume, die am Heiligen Abend genauso ablief wie in den anderen Familien: Hoffnung, Glaube — Wirklichkeit und Freude. Auch an das Jahr, ich werde wohl schon die Volksschule besucht haben, als alles anders war.
Es war bei uns Heiligabend üblich, daß für mich die «gute Stube» verschlossen blieb, nur Mutter durfte hinein und wirkte im Geheimen. Aufgeregt saß ich derweilen in meiner Stubenecke, spielte, las oder lief aufgeregt die Treppe hinunter auf die Straße, ruhelos nach Freunden suchend, um gemeinsam mit ihnen die Unruhe, die uns alle erfaßt hatte, zu vertreiben.
Ich war zwar schon «groß», glaubte aber noch an den Weihnachtsmann — oder auch nicht? Es war fürchterlich! Mutter hatte wieder einmal die Verbindungstür zwischen der «guten Stube» und dem Wohnzimmer abgeschlossen. Aufgeregt verfolgte ich von nebenan die Geräusche der Tätigkeiten, eben alles, was mir verborgen bleiben sollte: den Weihnachtsbaum würde Mutter mit bunten Kugeln und den Kerzen schmücken, der Weihnachtsmann aber meine Geschenke auf dem kleinen Tischchen ordnen, Mutter wieder, wie alle Jahre vorher, die «Bunten Teller» für Vater, sich selbst und selbstverständlich für mich auf die richtigen Plätze stellen.
Wir hatten in der Küche zu Mittag gegessen. Mutter verschwand danach wieder im Weihnachtszimmer. In mir war die Neugier geweckt, todesmutig schlich ich mich, mein Herz schlug rasend, an die Verbindungstür. Dann wagte ich, ich war doch kein Feigling, einen Blick durch das Schlüsselloch... spürte plötzlich ein Brennen in den Augen, meine Nase triefte, Tränen liefen, ich prustete, prustete und schmeckte... Pfeffer! Der Weihnachtsmann hatte mich vorgewarnt. Gab es ihn doch noch?
Still zog ich mich in meine Stubenecke vor dem Balkonfenster zurück, rührte mich nicht, ich schämte mich. Nichts war aus dem Weihnachtszimmer zu hören, nur klappte dann mehrmals die Stubentür. In der Küche tuschelte Mutter mit meinem Vater. Am liebsten wäre ich unter meinen Tisch gekrochen, denn ich zitterte vor Angst und wurde kleiner und kleiner.
Es wurde Nachmittag, und Dunkelheit legte sich über die verschneite Stadt. Die Kirchenglocken riefen zum Heiligabend-Gottesdienst, die Zeit, da sonst bei uns beschert wurde. Noch immer war ich voller Erwartung und Hoffnung. Aus den anderen Wohnungen des Hauses hörte ich bereits fröhliche Stimmen. Bei uns in der Wohnung aber rührte sich nichts. Es wurde Sechs, es wurde Sieben. Aufgeregt schlug mein Herz. Endlich kam meine Mutter in die dunkle Stube: «Auf was wartest du? Komm, sieh selber nach. Der Weihnachtsmann hat alles wieder weggeholt, sieh dort steht nur noch die Tanne ohne Schmuck und Kerzen! Neugierige Kinder kann der Weihnachtsmann nicht leiden. Merke dir das!» Da war es mit meiner Haltung vorbei, ich heulte, jammerte, verzweifelte an der Welt und verkroch mich wieder in meine Ecke.
Am Weihnachtsmorgen klingelte es früh an der Korridortür. Herbert und Gerhard, meine Hausfreunde, standen glücklich und fröhlich davor und wollten, wie alle Jahre, wissen, was mir der Weihnachtsmann gebracht hatte.
«Kommt nur herein», sagte meine Mutter, «er hat diesmal nichts bekommen. Er ist neugierig gewesen, da hat der Weihnachtsmann alles wieder eingepackt und mitgenommen. Was habt ihr denn Gutes erhalten?»
Erstaunt guckten mich die Freunde an, glaubten alles erst, nachdem sie in der Weihnachtsstube nur den kahlen,
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