Weihnachtsglanz und Liebeszauber
Kerze zum 1. Advent?«
»Quatsch.«
»Ein Strohstern fürs Fenster?«
»Ally!«
»Ein Bonbon? Eine Praline? Ein Mini-Nikolaus aus Schokolade?«
»Etwas viel, viel Schöneres. Etwas, das uns Glück bringt. Ich hab’s im Stall gefunden. Am Fenster. Mitten zwischen den Spinnweben. Ganz zufällig hab ich’s gesehen, und da hab ich gedacht, ihr freut euch darüber.«
»Es ist aber keine Spinne, oder?« Rese schüttelte sich. Sie grauste sich vor Spinnen. Die machten mir nichts aus; was ich nicht leiden konnte waren Mäuse, die sich nur schwer fangen ließen.
»Es ist was viel Schöneres«, schwärmte Nick und öffnete vorsichtig die Faust.
Wir setzten uns auf. »Da ist nichts«, stellte Rese fest.
Nick öffnete die Faust ein bisschen weiter. Tatsächlich – da lag etwas Winziges. »Ein schwarzer Käfer?«, erkundigte ich mich.
»Nee! Schaut doch mal!«, flüsterte Nick hingerissen. »Es ist ein Marienkäferchen! Im Dezember – das ist ’ne Wucht!«
»Wenn du das sagst …« Rese gähnte.
»Der bringt uns Glück«, versicherte Nick.
»Ist der Winzling damit nicht überfordert?«
»Ein Marienkäfer bringt Glück. Egal, wie klein er ist und egal, wie viele Personen ihn sehen – er bringt einfach allen Glück.«
Plötzlich beugte sich Rese vor und küsste unseren kleinen Bruder. »Das ist ja fantastisch! Dann kann ja echt nichts schiefgehen!«
Nick rubbelte den Kuss von der Wange. »Deshalb musst du mich nicht gleich küssen«, beschwerte er sich. Dann blinzelte er mir zu. »Sag mal, hat sie schon wieder einen Lover an Land gezogen?«
Ich blinzelte zurück. »Der Arme weiß noch nichts von seinem Glück, aber sie arbeitet daran.«
»Eigentlich«, er hüpfte vom Bett, »könntest du Ally mal einen Lover überlassen. Das wäre ein echt tolles Weihnachtsgeschenk, Rese.«
»Klar«, sagte sie sofort. »Das mach ich, Nick. Ally hat die Wahl zwischen Tommy und Leo. Ist das nichts?«
Ich tat so, als wäre mir schlecht. Nick tippte sich an die Stirn. »Was soll Ally mit den Langweilern? Solche Typen sind nur was für dich, Rese. Ally braucht einen Jungen, bei dem sie nicht gleich wegpennt. Tommy! Leo! Ugg! Würg!«
Da konnte ich nur zustimmen, würg …
»Gut. Wie du willst.« Rese tat so, als hätten Nick und ich sie schwer beleidigt. »Wer nicht will, hat schon gehabt – such dir doch selbst einen Freund!«
»Ich? Wer behauptet, ich wolle einen Freund? Ich doch nicht!«, erwiderte ich so selbstbewusst, wie es mir nur möglich war. Nick sah mich mitleidig an. »Irgendwann findest du einen«, versuchte er mich zu trösten. »Jetzt, wo ich im Dezember einen Marienkäfer gefunden habe, hast du Glück. Ehrlich.«
Rese lachte.
Ja, ich hasste meine Schwester. Und nein, ich wollte keinen Freund; schon gar nicht den blöden blonden Wikinger, auf den Rese es abgesehen hatte.
Nick hielt mir die Patschhand mit dem Marienkäferchen vors Gesicht. »Spuck drauf!«
Ich schloss die Augen und wünschte mir … Und dann spuckte ich.
»Igitt!«, rief Rese. »Aber eins sag ich dir, Ally: Der Wikinger gehört mir!«
Wie jedes Jahr zum 1. Advent hatte unsere Mutter den Frühstückstisch besonders schön gedeckt. Am Adventskranz brannte die erste Kerze, und auf dem Tisch stand ein Teller mit Stollen und dem ersten Weihnachtsgebäck in diesem Jahr – es waren Sterne, Herzen, Monde und Tannenbäumchen. Alle mit weißem Zuckerguss oben auf. Leider schneite es nicht wie am Tag zuvor, aber das würde schon noch kommen.
Unser Vater deutete auf einen großen Karton. »Am Abend schmücken wir die Tanne mit der Lichterkette.«
»Ohne mich«, sagte Rese sofort. »Das ist Kinderkram. Ich hab Besseres zu tun.«
»Ja, ja.« Nick schnappte sich das dickste Stück Stollen. »Du gehst angeln. Stimmt’s?«
»Halt die Klappe, Kleiner«, fauchte Rese.
»Nö!«
Unser Vater köpfte sein Frühstücksei. »Worum geht es?«
»Sie will sich den Neuen angeln, der bei uns Reitstunden nehmen will«, erklärte Nick.
»So? Willst du das? Das wird deinem Giselbert aber gar nicht gefallen.« Unsere Mutter schüttelte missbilligend den Kopf. »Und mir gefällt das auch nicht.«
Rese warf Nick einen wütenden Blick zu, hob die Schultern und biss auf einem ihrer sieben Honigpops herum. »Und wenn schon …«, murmelte sie und verzog sich schnell auf ihr Zimmer.
Gegen Abend trug Benno die lange Leiter aus dem Schuppen und lehnte sie an die Tanne, die mitten in unserem Hof wuchs. Pa holte die Kette aus der Schachtel, Ma hielt die Leiter fest,
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