Weihnachtskatze gesucht
worden?«
Die Frauen zuckten mit den Schultern.
»Gefunden haben wir sie nicht. Aber wenn sie verletzt sind, verkriechen sie sich meistens. Wenn Sie sie suchen – sie war ein auffälliges Tierchen mit dem Strubbelfell –, versuchen Sie es bei den Tierärzten oder im Tierheim. Vielleicht hat sie jemand mitgenommen, oder sie hat sich ein warmes Heim gesucht, als es kalt wurde. Meiner Meinung war sie keine geborene Streunerin.«
»Okay, kann ich ja mal versuchen.« Steve zog seine Brieftasche heraus und drückte der verdutzten Frau einen Geldschein in die Hand. »Kaufen Sie Futter davon.«
»Oh! Danke.«
Er humpelte davon, von sich selbst überrascht.
[ Menü ]
|92|
15. Das Buch des Lebens
S ueSue saß neben Ritzi. Es war tiefste Nacht, und alles schlief in der Scheune. Hier und da schnarchte eine Katze, eine andere maunzte leise im Traum.
Ritzi aber keuchte.
Davon war SueSue aufgewacht. Schon die vergangenen zwei Tage hatte die zänkische Katze sich kaum noch aus ihrem Korb bewegt und auch nur wenige Bösartigkeiten von sich gegeben. Tinka hatte sie einmal mitgenommen, obwohl sie sich mit Krallen und Zähnen gewehrt hatte, und hinterher hatte Ritzi nach Tierarzt gerochen. Sie hatte auch etwas mehr gefuttert, aber nun schien sie wieder große Schwierigkeiten mit dem Atmen zu haben.
Durch die Fensterluke im Dach der Scheune fiel blasses Mondlicht, und als es ihr Lager erreichte, schlug Ritzi die Augen auf. Erstaunen stand darin, als sie SueSue erkannte.
»Geh weg!«
»Nein. Ich bleibe bei dir.«
»Kann alleine sterben.«
»Kannst du schon.«
Ritzi schloss die Augen wieder und hustete.
SueSue bemerkte Ormuz, noch bevor er sich ebenfalls neben ihr niederließ. Es machte ihr Fell kribbeln, und als sie zu ihm hinsah, stellte sie fest, dass der silberne Schein, |93| der ihn sonst nur wie ein hauchzarter Schleier umgab, heller leuchtete.
»Kann alleine«, keuchte Ritzi.
»Brauchst du aber nicht«, brummelte der Weise, und während er weiterschnurrte wollte es SueSue vorkommen, als ob etwas von dem silbrigen Schimmer auf die sterbende Kätzin überfloss. Ihr qualvolles Keuchen wurde stiller, und SueSue begann ebenfalls zu schnurren. Auch Mac saß auf einmal bei ihnen und schnurrte mit.
Der Mond wanderte weiter, das feine, silbrige Licht jedoch blieb.
Dann sagte Ritzi leise: »Danke.«
Es schnurrte und schnurrte und schnurrte.
Es schnurrte eine müde Katzenseele in eine andere Welt.
Das silbrige Licht erlosch.
Am Morgen sah SueSue, dass sich Tinka über Ritzis Korb beugte und den kalten Pelz streichelte.
»Du warst eine rechthaberische, ziemlich unleidliche Katze, Ritzi«, flüsterte sie. »Ich hoffe, dein nächstes Leben wird leichter für dich.« Dann schniefte sie in ihren Pulloverärmel. SueSue ging zu ihr hin und rieb sich an ihrem Hosenbein.
»Ach, Curly, es ist gleichgültig, was für einen Charakter sie haben. Ich liebe sie alle, und ihr Tod macht mich traurig. Sie hatte ein hartes Leben, glaube ich.«
Das glaubte SueSue auch, und weil sie Tinka mochte, rieb sie ihren Kopf noch mal an deren Schienbein.
|94| Schwupps wurde sie hochgehoben und gekrault. Das hatte seit Salvia kein Mensch mehr mit ihr gemacht, und darum krallte sie sich begeistert an der Schulter fest und drückte ihre Nase an Tinkas Ohr. Es schnurrte wie wild in ihr.
»Kampfschmuser!«, murmelte Tinka unter Tränen lächelnd.
Tinka hatte Ritzi auf dem Tierfriedhof begraben, und SueSue trabte neben Ormuz über die Weide. Das Gras, das morgens noch frostig unter den Pfoten geknistert hatte, war in den wenigen Sonnenstrahlen getaut und fühlte sich nur noch kalt und feucht an. Den wolligen Wiederkäuern, die stumpfsinnig im Matsch standen, schien die Kälte nichts auszumachen, und da sie keine Bedrohung darstellten, hüpfte SueSue in die Krippe, die mit ihrem Heu aufgefüllt war.
»Komm hoch, Ormuz, hier ist es gemütlich und trocken«, forderte sie den blinden Kater auf. Sie wusste inzwischen, dass er sich mit seinen anderen Sinnen gut orientieren konnte, und mit einem leisen Maunzen gab sie ihm die Richtung und die Höhe an. Er sprang dann auch leichtpfotig hoch und tretelte in dem Heu seine Kuhle.
»Nett hier. Ich rieche diese großen Tiere gerne. Ach ja, vor langer, langer Zeit …«
»Was war vor langer, langer Zeit?«
Ormuz lachte in sich hinein.
»Du bist noch ein junges Katzenwesen, SueSue, aber |95| sehr wissbegierig. Und heute Nacht, da hast du ein großes Herz bewiesen. Ich denke, du bist bereit, mehr
Weitere Kostenlose Bücher