Weihnachtskatze gesucht
Weshalb ich mich heute um den Fliesenleger kümmere. Und, Steve, wenn Sie rausgehen, nehmen Sie den Müll mit. |88| Vergessen Sie nicht, vorher Zeitungen in die Tonne zu werfen, sonst friert er fest.«
»Yes, Ma’am, Sir, Ma’am!«
»Raus!«
Steve krallte sich Einkaufskorb, Mülleimer und eine alte Zeitung und humpelte nach draußen. Als er die Tonne öffnete, um das Papier hineinzuwerfen, starrten ihn die bezwingenden Augen des darauf abgebildeten Katers an.
Einen Moment lang hielt er inne.
Mac, so hieß er, fiel ihm ein. Ein dreibeiniger Kater von Charakter.
Aber dann schüttelte Steve den Blick ab, warf den Müll samt Zeitung in die Tonne und machte sich auf, die befohlenen Einkäufe zu tätigen. Als er zurückkehrte, heulte die Flex durch das Haus.
»Was zum Teufel …?«
»Der Fliesenleger!«, beschied Hertha ihn. »Gehen Sie nach draußen spielen.«
Wenn er nicht durch den Krawall und den Staub wahnsinnig gemacht werden wollte, verzog er sich wirklich besser. Steve warf seiner Haushälterin einen bitterbösen Blick zu und packte seine Fotoausrüstung in einen Rucksack. Einen Umschlag mit den Aufnahmen von der braunen Katze steckte er auch ein. Dann hielt er noch einmal inne, zog einen der Ausdrucke heraus, faltete ihn zusammen und schob ihn in seine Hosentasche.
Der alte Friedhof lag still und verträumt unter dem gefrorenen Reif, und mit langsamen Bewegungen durchstreifte |89| er die Wege, erhaschte hier und da Spuren von Tieren, und als er sich dem Mausoleum näherte, vermeinte er sogar einen Katzenschwanz bemerkt zu haben. Ein magerer Sonnenstrahl durchdrang den Nebel, und verführt durch das Lichterspiel zerrte Steve seine Kamera aus dem Rucksack. Ruhig und geduldig wartete er auf ein paar interessante Motive. Er wurde belohnt. Ein Dutzend aufgeplusterte Spatzen auf einem kahlen Ast erregte seine Aufmerksamkeit, zwei Eichhörnchen turnten im Gezweig einer Buche umher, eine schwarze Krähe oben auf dem spitzen Dach des Mausoleums hob sich dramatisch gegen den blassblauen Himmel ab. Dann aber wurde die Ruhe gestört, denn drei Frauen, dick vermummt, näherten sich seinem Standort. Er blieb indes weiter ganz ruhig und unbeweglich stehen, so dass sie ihn einfach übersahen. Geschäftig stellten sie Näpfe auf und füllten sie mit raschelndem Trockenfutter. Auf dieses Zeichen hin tauchten unter den Büschen erst zwei, dann drei, dann immer mehr Katzen auf, schlichen herbei und begannen ihrem würdevollen Tanz um die Näpfe.
Eine der Frauen bemerkte ihn schließlich und lächelte ihn an.
»Machen Sie wieder Bilder von dem Rudel?«
»Mal sehen«, erwiderte Steve und trat zu ihr hin. Die Katzen störten sich nicht an ihm. »Sie füttern die Tiere schon lange, nicht wahr?«
»Seit einigen Jahren. Im Sommer ist es nicht so notwendig, doch in den Wintermonaten wird für sie die Nahrung knapp.«
|90| »Der natürliche Kreislauf.«
»Sicher. Aber – können Sie Geschöpfe, die Sie kennen, dem Hungertod überantworten?«, fragte die Frau und wies auf das futternde Trüppchen hin.
»Viele tausend andere Geschöpfe kennen Sie nicht.«
»Richtig. Die ganze Welt kann man nicht retten. So ist das nun mal. Aber für einige kann man Verantwortung übernehmen. Wenn das jeder täte, wäre schon viel geholfen.«
Steve zuckte bei dem Begriff Verantwortung zusammen. Verantwortung übernahm man am besten nur für sich selbst. Oder?
Eine wuschelige Katze schlenderte gesättigt weg, und eine magere andere übernahm ihren Platz. Es war eine von den Jungkatzen, die er im Sommer beobachtet hatte. Die so sorgsam von ihrer Mutter aufgezogen worden waren.
»Sie kennen diese Tiere wohl recht gut«, sagte er und zog den zusammengefalteten Abzug mit dem Konterfei der kleinen Braunen aus der Hosentasche. »Ist die auch noch dabei?«
Die Frau betrachtete das Bild, und die beiden anderen beugten sich ebenfalls darüber.
»Die war den Sommer über hier, ein putziges Kätzchen, weniger scheu als die anderen.«
»Ich weiß, ich habe sie oft fotografiert. Es könnte sein, dass sie ein entlaufenes Tier ist.«
»Ja, könnte sein. Aber ich habe sie in den letzten Tagen nicht mehr gesehen. Ihr?«
|91| Die Futterfrauen berieten sich untereinander und kamen zu dem Ergebnis, dass diese Katze seit November nicht mehr aufgetaucht war.
»Es gibt immer mal Wechsel, wissen Sie? Manche Katzen werden krank und sterben, manche wandern weg, und – na ja, die Straße ist morgens und abends stark frequentiert.«
»Ist sie überfahren
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