Weihnachtszauber 02
zu dem kleinen kalten Raum, in den sie auch bei ihrem ersten Besuch geschickt worden war.
„Wenn Sie die Güte hätten – ich möchte lieber in einem Raum warten, wo ein Kaminfeuer brennt. Und gegen eine Tasse Tee hätte ich nichts einzuwenden.“
Obwohl sie auch ihm ein Lächeln schenkte, erkannte er klar und deutlich, dass sie ihm einen Befehl erteilte.
Trotz der minderwertigen Qualität ihrer Kleidung und der Erschöpfung, die ihr Gesicht verraten musste, gehorchte der Mann sofort.
Guy stand in seinem Arbeitszimmer vor dem Kamin. Blicklos starrte er in die Flammen und sah nur die Bilder in seiner Fantasie, die ihm Isabella vorgaukelte. Ihre Augen, vor Müdigkeit verdunkelt. Ihre Hände wischten Tränen weg, die er verursacht hatte. Und die viel zu dünne Gestalt, die in der kalten Finsternis einer Mietkutsche verschwunden war ...
Als die Tür hinter ihm geöffnet wurde, nahm er an, ein Dienstbote wäre erschienen, um noch etwas Holz ins Feuer zu legen. Nur mehr ein Rest Glut schwelte im Kamin, das merkte er erst jetzt. Wie lange stand er schon reglos davor?
„Mylord, eine Mrs Stowe will Sie sprechen. Sie wartet im Salon.“
Was Bellas Rückkehr bedeuten mochte, wusste Guy nicht. Dass sie sich dazu entschlossen hatte, konnte er nicht bedauern, trotz allem, was sie beide entzweite.
Zumindest hielt sie sich nicht mehr draußen in der bitterkalten Nacht auf.
Guy drehte sich um und nickte. „Gut, ich gehe gleich zu ihr. Haben Sie ihr Tee angeboten?“
„Den hat sie sofort verlangt, Mylord.“ In der Stimme des Lakaien schwang eine gewisse Bewunderung mit. „Inzwischen müsste das Tablett serviert worden sein.“
„Danke, Trimble.“
Auf dem Weg zum Salon überlegte Guy, was er sagen sollte. War Bella zurückgekommen, weil sich irgendetwas geändert hatte? Oder verhinderte der Schneesturm einfach nur eine Fortsetzung ihrer Heimreise?
Er betrat den Raum und sah sie in einem komfortablen Sessel vor dem frisch geschürten Feuer sitzen. Eine Silberkanne in der Hand, füllte sie eine Tasse. Sie blickte auf, doch er konnte ihrer Miene nichts entnehmen.
„Tee?“, fragte sie in ruhigem Ton.
Darauf ging er nicht ein. „Alles in Ordnung, Mrs Stowe?“
„Ich bin nur ein bisschen durchfroren. Aber ich glaube, der Tee und das Kaminfeuer werden mich bald erwärmen. Und wie geht es Ihnen, Lord Easton?“
„Wie, bitte?“
„Ich hörte, Sie seien krank gewesen.“
Das hätte er wissen müssen. Jemand hatte ihr erzählt, was am Ende des letzten Sommers geschehen war. Und hatte sie zu ihrem Besuch veranlasst – ein unvermeidliches Ergebnis jener Information.
„Vor vielen Wochen“, erwiderte er.
„Und Sie sahen keinen Sinn darin, mir mitzuteilen, es entspreche der Wahrheit, was ich erfahren hatte?“
„Mittlerweile trifft es nicht mehr zu, und deshalb überrascht mich Ihre Anwesenheit, Madam. Warum sind Sie schon wieder hier?“
„Vielleicht möchte ich Sie bestrafen.“
„Bestrafen?“
„Ich sorge mich um Sie, Sir, und das lohnen Sie mir, indem Sie mich täuschen. Aber solche Täuschungsmanöver zählten von Anfang an zu Ihrem Rüstzeug.“
„Was meine Frage nicht beantwortet. Stattdessen finde ich Ihre Rückkehr umso erstaunlicher.“
„Ich bin noch einmal nach Woodhall Park gefahren, weil ich mich erkundigen möchte, wie Sie das gemeint haben ...“
„Was?“
„Nun, Sie sagten, Sie hätten mich immer gebraucht.“
„Daraus machte ich wohl kaum ein Geheimnis. Ich bat Sie, mich zu heiraten.“
„Das weiß ich. Doch wenn ich mich recht entsinne, schien die Erkenntnis, Sie würden mich brauchen, bei Ihrer Werbung keine Rolle zu spielen. Vielmehr gewann ich den Eindruck, Ihre Begierde hätte Sie dazu bewogen. Oder irre ich mich?“
„Natürlich begehre ich Sie. Auch daraus machte ich kein Geheimnis.“
„Aber dass Sie mich brauchen ...“ Sie zögerte, die Teetasse auf halbem Weg zu ihren leicht geöffneten Lippen, und schaute Guy an. „Was das betrifft, waren Sie ziemlich verschlossen.“
Eine Zeit lang durchbrach nur das Knistern und Zischen der Flammen die Stille im Salon. Schließlich ließ Isabella die Tasse sinken und stellte sie auf die Untertasse zurück.
„Die Wahrheit, bitte“, sagte sie leise.
Die Wahrheit ... Warum immer sie zurückgekommen war – wenigstens das verdiente sie.
„Vor fünf Jahren erklärten Sie mir, das Schicksal der Blindheit würde einen Mann von bemerkenswertem Mut erfordern.“
„Tat ich das? Daran erinnere ich mich nicht. Allerdings –
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