Weihnachtszauber 02
eine Frau habe mir versichert, der Verlust meines Sehvermögens würde mein Leben nicht beenden. Sehr viel später fand ich heraus, dass diese Dame Mrs Stowe war.“
„Natürlich!“, rief Lady Easton. „Wie konnte ich das vergessen? So oft sprach Guy von Ihnen, meine Liebe, nachdem er Sie nach so langer Zeit endlich aufgespürt hatte.
Und jetzt sind Sie hier.“ Beschwörend ergriff sie Isabellas Hände. „Bitte, Sie müssen bei uns bleiben. Wir konnten uns noch gar nicht richtig bei Ihnen bedanken. Guy, sag ihr, sie darf nicht abreisen.“
„Bedauerlicherweise ist Mrs Stowe sehr beharrlich“, entgegnete er. „Wenn sie einen Entschluss gefasst hat, lässt sie sich nicht davon abbringen. Sie will nicht hierbleiben.“
Die Stirn gerunzelt, wandte sich seine Mutter wieder zu Isabella. „Nicht einmal für eine Nacht? Es ist schon stockdunkel. Und es schneit wieder.“
„Sie sind sehr freundlich, Lady Easton. Aber ich muss wirklich wegfahren.“ Isabella entzog ihr behutsam ihre Hände. Von Guy begleitet, trat sie in den Säulengang hinaus.
Beflissen öffnete ein Lakai den Wagenschlag und half ihr, einzusteigen. Ein anderer legte die Wärmeflasche vor ihre Füße und breitete eine Decke über ihre Knie. Kurz danach rollte das schwerfällige Vehikel die Zufahrt hinab. Guy sah ihm nach, bis es in der winterlichen Finsternis verschwand. Dann kehrte er in die Halle zurück und schloss die Haustür.
Seine Mutter stand immer noch da. Die Arme verschränkt, schützte sie sich vor der Kälte, die hereingedrungen war. „Das begreife ich nicht.“ Forschend schaute sie in das ausdruckslose Gesicht ihres Sohnes. „Wieso habt ihr gestritten? Und warum hast du sie gehen lassen?“
„Weil sie aus dem falschen Grund hierherkam.“
„Aber sie ist gekommen. Nur das zählt doch, oder?“
Schweigend zuckte er die Achseln. Nicht, weil er keine Antwort wusste, sondern weil eine Erklärung zu schwierig wäre.
Es fiel ihm schon schwer genug, sich selber alles zu erklären.
9. KAPITEL
„Leider ist kein Zimmer mehr frei, Madam, weil heute Abend alle Postkutschenfahrten abgesagt wurden.“
Das Bedauern des Wirts wirkte nicht besonders echt. Wahrscheinlich hatte er den meisten der Leute, die sich in seiner Gaststube drängten, den gleichen Bescheid gegeben. Dort loderte ein helles Feuer im großen Kamin. Trotzdem fand Isabella den Gedanken, eine weitere Nacht im Sitzen zu verbringen, fast unerträglich.
Kopf hoch, mein Mädchen , hätte William sie grinsend aufgefordert. Du hast schon viel Schlimmeres verkraftet als diese kleine Unannehmlichkeit.
„Danke“, sagte sie lächelnd. Doch der Mann hatte sich bereits angewandt, um mit dem nächsten gestrandeten Reisenden zu sprechen.
Durch die offene Tür spähte sie in den Gastraum, wo sie wenigstens etwas zu essen bekommen würde. Vor ihrem geistigen Auge erschien die Vision des voll beladenen Tabletts, das sie in Woodhall Park zurückgelassen hatte. Hastig verdrängte sie die Erinnerung. Eine Tasse Tee und eine Scheibe Toast würden ihr helfen, die Nacht zu überstehen. Und am Morgen würden die Postkutschen vielleicht wieder verkehren.
Sie trat an ein Fenster, das zum Hof hinausging, und schätzte den Schneefall ein. In diesem Moment betrat der Angestellte von der Postkutschengesellschaft, der so nett zu ihr gewesen war, das Gasthaus und schloss die Tür hinter sich.
Seufzend nahm er seinen Hut ab und schüttelte die Schneeflocken hinunter. Als er aufschaute und Isabella erkannte, runzelte er überrascht die Stirn. „Was, Sie sind schon wieder da, Miss?“
„Wie Sie sehen.“ Irgendwie gelang ihr noch ein Lächeln.
„Was ist geschehen? Hält sich Seine Lordschaft gerade in London auf?“
„Nein“, erwiderte sie kurz angebunden. Wir passen nicht zueinander ... Das wollte sie einem Fremden nun wirklich nicht erklären.
Eine richtige Erklärung wäre es auch gar nicht , wandte ihr Herz ein. Doch sie ignorierte es.
Offensichtlich verstand ihr Wohltäter die Welt nicht mehr. Sie hatte ihn von ihrer Bekanntschaft mit Lord Easton überzeugt. Und jetzt entstand der Eindruck, sie wäre in die Kälte hinausgejagt worden.
„Das finde ich seltsam, Miss. In unserer Gegend weiß jeder, wie gastfreundlich die Familie des Viscounts ist.“
„Seien Sie versichert – es war mein Entschluss.“
„Sofort wieder abzureisen? In einem Schneesturm?“
Statt zu antworten, zuckte Isabella nur die Achseln. Ihre Beweggründe wollte sie nicht verraten – schon gar nicht im
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