Weihnachtszauber 02
wie ich mehrfach zugegeben habe, wollte ich Sie trösten und ermuntern ...“ Noch immer hielt sie Guys Blick fest.
„Ob ich diese Art von Mut besitze, bin ich mir nicht sicher. Jetzt nicht mehr.“
Beinahe sah er, wie Isabella zwei und zwei zusammenzählte. So wie in jener Nacht, die so lange zurücklag, erriet sie, was er fürchtete.
„Also – glauben Sie, was am Ende des letzten Sommers geschah, könnte sich wiederholen?“, fragte sie.
„Bei der Feuersbrunst während des Krieges wurde mein rechtes Auge schwerer beschädigt als das linke. Sogar nach meiner Genesung hat es sich öfter entzündet.
Und dann, Anfang September, war die Entzündung so stark, dass sich die Infektion ausbreitete.“
„Erreichte sie auch das linke Auge?“
Der Gedanke an jenen Morgen, an das Erwachen in schwarzem Nichts, schnürte ihm die Kehle zu, und er konnte nur nicken.
„Und Sie fürchten, das würde Ihnen immer wieder drohen?“
„Infolge der Infektion verlor ich die geringe restliche Sehkraft meines rechten Auges.
Ins linke kehrte sie zurück – vielleicht ein zweites jener Wunder, die Sie mir damals versprochen hatten, Madam. Dass irgendjemandem drei Wunder vergönnt werden, bezweifle ich.“
„Deshalb vermuten Sie, eines Tages werden Sie vollends erblinden?“
„Mit gutem Grund.“
„War es für Sie auch ein guter Grund, Ihren Heiratsantrag nicht noch einmal auszusprechen?“
„Den haben Sie abgelehnt, Mrs Stowe. Und ich fragte nicht nach Ihren Gründen.“
„Doch, danach haben Sie sich erkundigt. Und es war Ihr gutes Recht. Es ging einfach nur um meinen Stolz.“
„Glauben Sie mir, ich verstehe, wie wichtig der Stolz ist. Besonders, wenn man sonst zu wenig hat, woran man sich klammern kann.“
„Und was wäre geschehen, hätte ich Ihren Antrag angenommen, Sir? Wenn wir verheiratet gewesen wären, als Sie wieder erblindet sind?“
Guy fühlte sich maßlos erleichtert, weil es nicht dazu gekommen war. „Vielleicht war das Ihr Wunder, Madam.“
„Dass mir ein so schlimmes Schicksal erspart blieb?“
„Allerdings, ob Sie es nun zugeben oder auch nicht.“
„Unsinn!“, fauchte Isabella.
„Was Sie denken, verstehe ich. Sie finden es romantisch – sogar edel, für jemanden zu sorgen, der sich nicht selber helfen kann. Das haben Sie in Frankreich bewiesen.
Und dann von Neuem, denn Sie kamen hierher, sobald Sie von meiner Blindheit gehört hatten.“
„Zu dieser Reise entschloss ich mich, weil mir Ihr gesundheitlicher Zustand am Herzen liegt. Als ich erfuhr, Sie hätten Ihr Augenlicht wieder verloren ...“ Sie unterbrach sich. Anscheinend wählte sie ihre Worte sehr sorgfältig. „Da erkannte ich, wie nebensächlich alles andere ist. Mein Alter, Ihr Adelstitel. Sogar die Möglichkeit, ich könnte Ihnen keine Kinder schenken. Das alles bedeutete mir nichts mehr, und ich wollte nur noch bei Ihnen sein.“
„Um mich in der Stunde meiner Not zu umsorgen?“, fragte er sarkastisch und lachte bitter.
„Ist das nicht der Sinn einer Ehe? Dass zwei Menschen füreinander sorgen?“
„Vielleicht möchten Sie Ihr restliches Leben damit verbringen, Ihren Ehemann an der Hand herumzuführen. Verzeihen Sie mir, meine liebe Bella, aber ich will mich nicht gängeln lassen.“
„Weil Sie zu stolz sind. So wie mein Stolz mir verbot, Ihren Heiratsantrag anzunehmen.“
„Natürlich.“
„Wie ich in den Monaten seit Ihrer Abreise herausfand, ist der Stolz ein sehr unzulänglicher Gefährte.“
Noch deutlicher würde sie nicht zugeben, es sei falsch gewesen, ihn zurückzuweisen.
Hätte sie das Geständnis bloß früher ausgesprochen ...
„Halten Sie einen Blinden für einen besseren Gefährten?“
„Was sagten Sie doch gleich, als ich erwähnte, ich sei vielleicht unfruchtbar? Dann sind Sie eben blind.“ So wie Guy bei jener Diskussion betonte sie jede einzelne Silbe.
„War ich nicht dumm genug für uns beide, mein Liebster? Das Leben ist so kurz. Du und ich – wir haben zu viele Menschen verloren, die uns teuer waren, um nicht zu wissen, wie begrenzt unser Erdendasein ist. Wegen meines Stolzes habe ich Monate vergeudet, die wir hätten teilen können. Willst du Jahre verschwenden? Wegen einer Gefahr, die dir womöglich gar nicht droht?“ Sie reichte ihm ihre Hand.
Wenn er diese Hand ergriff – würde sie ihn eines Tages in der Dunkelheit leiten müssen?
Und wäre das kein Segen? Ein Wunder, so großartig wie das erste, das ihn beglückt hatte?
Wie ich in den Monaten seit Ihrer Abreise
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