Weihnachtszauber 02
hatten sie überhaupt erst in diese missliche Lage gebracht.
„Ich habe darüber nachgedacht“, erwiderte sie. „Und ich werde nicht zu Hause sitzen und mich sorgen, während du den beiden nachreist. Meine Schwester braucht mich, und ich habe etwas in Ordnung zu bringen.“
„Mary ...“, setzte er an. Sein Tonfall war eine Nuance schärfer geworden.
„Nein, Dominick“, fiel sie ihm ins Wort. „Wir werden gemeinsam nach ihnen suchen.
Mein Entschluss steht fest, und ich lasse mich nicht davon abbringen.“
„Das weiß ich noch allzu gut von früher.“ Er schloss das Buch und stützte die Fäuste darauf. „Du bist die eigensinnigste Dame, die ich kenne.“
„Ich habe mich nicht verändert.“ Mary stand auf und ging langsam zu ihm hinüber, wie magisch von ihm angezogen. „Dominick, vor vielen Jahren hast du mich schon einmal abgewiesen. Bitte weise mich jetzt nicht wieder zurück und hilf mir, damit ich meiner Schwester helfen kann.“
Einen kurzen Lidschlag lang trat ein kummervoller Ausdruck in seine Augen, doch gleich darauf wurde seine Miene wieder zu einer undurchdringlichen Maske. Sacht strich er mit der Hand über ihre Wange. Die zärtliche Berührung hinterließ eine flammende Spur auf ihrer Haut.
„Die einzig ehrenhafte Tat in meinem Leben war, dich damals zurückzuweisen“, sagte er leise. „So nobel kann ich kein zweites Mal sein.“
„Dann sei es auch nicht!“ Mary legte ihre Hand über seine und hielt ihn fest. Sanft legte er seine Finger auf ihr Gesicht. „Lass mich mit dir kommen“, bat sie. „Ich verspreche dir, dass ich stark sein werde. Was immer wir auch vorfinden werden, ich kann es ertragen.“ Solange er nur bei ihr war.
Er blickte sie schweigend an, und sie hatte das Gefühl, als würde die Luft vor Anspannung knistern. Sie nahm nichts mehr wahr, außer ihm. Plötzlich beugte er sich vor. Wollte er sie etwa küssen? Unvermittelt öffnete Mary den Mund und lehnte sich leicht vor, denn sie sehnte sich danach, zu erfahren, ob sein Kuss wie einst dieses wundersame Gefühl flammender Leidenschaft und unbändiger Lebensfreude in ihr auflodern lassen konnte.
Da aber wandte er sich abrupt ab und straffte die Schultern. Bebend atmete Mary ein und schalt sich stumm eine Närrin. Es war töricht, sich so sehr nach einem Kuss von ihm zu verzehren. Ihre jugendliche Romanze gehörte der Vergangenheit an.
Seitdem waren viele Jahre vergangen, und sie hatten sich beide verändert.
Sie war hergekommen, damit er sie bei der Suche nach Ginny unterstützte. Das durfte sie nicht vergessen.
„Kannst du in zwei Stunden bereit zur Abreise sein?“, fragte er mit rauer Stimme.
„Ich ... Ja, natürlich“, antwortete sie. Sie musste niemandem mehr Rechenschaft ablegen.
„Wir treffen uns wieder hier. Ich werde mich um eine Kutsche kümmern. – Mary ...?“
„Ja?“
„Charlotte hat mir erzählt, dass du deinen Sohn verloren hast. Ich bedaure aufrichtig, dass du einen solch schweren Schicksalsschlag erleiden musstest.“
Die Worte waren schlicht, doch in seiner Stimme lagen Verständnis und Mitgefühl.
Mary wandte sich um und nickte, wohl wissend, dass er es nicht sehen konnte. Wie von Dämonen gejagt, hetzte sie aus dem Zimmer und wischte ungeduldig die heißen Tränen fort. Tränen, die seine freundlichen, mitfühlenden Worte ausgelöst hatten.
Wenn mich eine Stunde in seiner Gegenwart bereits so sehr aus der Fassung bringt, was wird dann erst geschehen, wenn wir auf dem Weg nach Norden sind, ganz allein? dachte sie. Werde ich verrückt werden und mich ihm auf dem Kutschbock an den Hals werfen?
Sie war sich sicher, dass irgendetwas Unglückseliges vorfallen würde. Dennoch durchströmte sie eine Welle des Glücks, als sie sich auf den Heimweg machte. Fast hätte sie sogar laut gelacht.
Dominick ging mit großen Schritten die Straße entlang. Menschen mit glücklichem Weihnachtslächeln im Gesicht eilten an ihm vorüber, doch er schenkte ihnen keine Beachtung. Einige seiner Bekannten hatten ihn zwar gegrüßt, doch sein finsterer Blick hielt sie davon ab, ein Gespräch mit ihm anzufangen, und so gingen auch sie weiter.
Es war ihm gelungen, den Mietstall ausfindig zu machen, in dem sich sein Cousin eine Kutsche besorgt hatte. Dort hatte man indes keine Ahnung, wohin Arthur Heelis reisen wollte. Der Eigentümer vermietete Dominick einen Zweisitzer und prophezeite, dass ihm sicherlich raue Witterungsbedingungen bevorstünden.
Arthur, du verfluchter Narr, dachte Dominick
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