Weihnachtszauber 02
daran hing das winzige Silberboot, das Francesca auf dem Weihnachtsmarkt bewundert hatte.
„Das Ebenbild der ‚Swift‘“, sagte Jack leise, und sein Blick hielt ihren fest.
Schweigend schaute sie ihn an und konnte kaum atmen.
„Ich lasse es für Sie hier, Francesca.“ Er schloss das Etui und stellte es auf den Küchentisch.
Im Salon erklangen Schritte.
Jack schlüpfte in seinen Gehrock. Als sich die Tür des Salons öffnete, hatte er die Küche verlassen, und das kleine schwarze Kästchen steckte in Francescas Schürzentasche.
Zu Mrs Lindens Leidwesen verbrachte Jack die Nacht auf dem Sofa im Salon. Obwohl die Hausherrin ihr Bestes getan hatte, um ihm das auszureden, wollte er Tom nicht aus dessen Bett verscheuchen. Im Kamin brannte ein Feuer. Aber der Raum war kalt, und er lag unter zwei dünnen Decken.
Unentwegt dachte er an Francesca. Welch ein beschwerliches Leben sie führte ...
Trotzdem klagte sie nicht. Mit ihrem gesunden Menschenverstand und ihrer praktischen Veranlagung übertraf sie sehr viele Frauen. Sie hatte ein heiteres Gemüt und einen hellwachen Geist. Nicht einmal die schlimmste Mühsal würde ihr Selbstvertrauen schwächen.
Wieder einmal erinnerte er sich an die nächtlichen Ereignisse auf der „Swift“. So tapfer hatte Francesca ihre Angst verborgen. Lächelnd entsann er sich, wie sie nebeneinander auf den feuchtkalten Decksplanken gelegen hatten. Und dann musste er sogar leise lachen, weil ihm die ironische Ermahnung der jungen Dame einfiel. Sie überschätzen Ihre Anziehungskraft. Und dann der Ball im Holberton House ... So harmonisch hatten sie miteinander getanzt und die Freude über den Erfolg seiner Initiative geteilt. Offenbar teilte sie auch seinen Humor.
Ebenso erheiternd fand er, was am letzten Abend in der Küche geschehen war.
Obwohl er noch nie im Leben einen schmutzigen Teller berührt hatte, war er ganz versessen darauf gewesen, Francesca beim Geschirrspülen zu helfen. Niemals würde sein Vater das glauben. Er selbst vermochte es kaum zu fassen. Natürlich würden seine Freunde ihm empfehlen, einfach mit ihr ins Bett zu sinken und sie dann zu vergessen. Vor diesem Weihnachtsfest hätte er das wahrscheinlich auch beabsichtigt.
Aber Francesca war einfach anders als all die Frauen in seinem bisherigen Leben –
und er nicht mehr derselbe Mann wie früher.
Seufzend drehte er sich auf dem Sofa zur Seite. In Gedanken immer noch bei Francesca, schlief er endlich ein.
Am nächsten Morgen begann der Schnee zu tauen. Francesca packte in der Küche einen Korb mit Lebensmitteln voll, während ihre Mutter neben dem warmen Herdfeuer saß.
„Solche Sorgen mache ich mir um sie, Fran. Sie ist eine alte Frau. Und ich finde es einfach nicht richtig, dass sie allein lebt.“
„Anders will es Mrs Beeley nicht haben, Mama. Wie oft hast du sie schon gebeten, in unser Cottage zu ziehen? Dafür ist sie zu stolz.“
„So stolz, dass wir sie eines Morgens erfroren antreffen werden.“
„Neulich besuchte ich sie. Da ging es ihr gut. Das Brennholz war gehackt, und es gab genug Kohlen. So wie du es wolltest, legte ich eine zusätzliche Decke auf ihr Bett.“
„Trotzdem bin ich beunruhigt. Besonders bei diesem Wetter. Wenn sie hinausgeht, um Wasser zu holen, und ...“
„Bitte, reg dich nicht auf, Mama. Ich werde mich um alles kümmern und darauf achten, dass sie genug Wasser im Haus hat.“
„Aber der Schnee? Wenn du dich allein auf den Weg machst ... Ihr Cottage liegt über eine Meile entfernt. Und Toms Fußknöchel schmerzt nach wie vor.“
„Keine Bange, Mama, ich komme sehr gut allein zurecht.“
Mrs Linden hustete. „Nein, das missfällt mir. Vielleicht sollte Anne dich begleiten.“
Lächelnd schüttelte Francesca den Kopf. „Hier hat Anne schon genug zu tun.“ Sie legte ihren Umhang an, schob die Hände in dicke Wollfäustlinge und ergriff den Korb. „Vor dem Lunch bin ich wieder da.“
„Guten Morgen“, erklang eine tiefe Stimme.
Francesca drehte sich um und sah Lord Holberton an der Küchentür stehen.
„Soll ich Tee für Sie kochen, Sir?“ Mrs Linden wollte aufstehen.
„Nein, danke, Madam“, erwiderte er und betrat den Raum. „Bitte, bemühen Sie sich meinetwegen nicht.“ Sein Blick schweifte zu Francesca hinüber. „Gehen Sie aus, Miss Linden?“
„Ich bringe einer Nachbarin etwas zu essen.“ Wie er sie anschaute ... Schon wieder rieselte ein prickelnder Schauer über ihren Rücken. „Wenn Sie mich entschuldigen, Sir ...“ Sie wollte sich
Weitere Kostenlose Bücher