Weil du mich erloest
Die tiefe Stimme des Polizisten, der im Korridor nur ein paar Meter vor der Tür zum Speisesaal stand, hallte bis zu ihnen. In der dann folgenden Pause hielt Francesca den Atem an. »Ja, Miss Arno ist hier unten bei uns, zusammen mit Mr. Lenault. Ihnen geht es gut. Alle warten hier im Speisesaal des Personals. Hier unten ist es ruhig.« Eine weitere Pause. »Ja, ich sage es ihnen.«
Der Polizist mit dem schütteren Haar steckte seinen Kopf durch die Tür.
»Das war Markov. Mr. Noble hatte ihn gebeten herauszufinden, wo Sie beide sich aufhalten«, sagte Inez und blickte Francesca und Lucien an. »Und er möchte, dass Sie wissen, dass es der Familie gut geht. Niemand wurde verletzt. Es war der Eindringling, der getroffen wurde. Offenbar ist er tot.«
»Wer hat denn auf ihn geschossen?«, wollte Lucien wissen. Er stand gegen die Anrichte gelehnt, und seine entspannte Pose konnte nur schlecht die in seinem mächtigen Körper überall spürbare Anspannung verbergen.
»Es scheint, als wäre er von jemandem aus der Familie beim Einbruch überrascht worden. Sie wollten mir keine weiteren Details verraten, aber Markov sagte, dass Sie in ein paar Minuten oben gewünscht werden.« Dabei blickte Inez Francesca an. »Noch sind sie dabei, all die Journalisten und Kamerateams vom Grundstück zu bekommen.«
»Ich soll hochkommen?«, fragte Francesca benommen.
»Ja. Sie wollen, dass Sie das Opfer identifizieren, um zu sehen, ob es der gleiche Mann war, der gestern versucht hat, Sie von der Straße zu drängen.«
Ein Schauer jagte wie eine kalte Welle über sie. Mrs. Hanson legte einen Arm um sie und hielt sie fest.
Francesca sprang wenig später von ihrem Stuhl auf, als sie Ians raue Stimme im Korridor hörte, wie er sich Officer Inez gegenüber auswies. Eine Sekunde später trat er über die Schwelle zum Speisesaal des Personals, sein Gesicht war angespannt, aber seine Augen blitzten auf, als er Francesca auf sich zustürmen sah. Ihre Beine wurden vor Erleichterung ganz weich, als sie ihn gesund und munter vor sich sah, in seinem dunklen Anzug und mit der eisblauen Krawatte so groß und stark und wundervoll aussehend. Sie schlang die Arme um seinen Hals. Er drückte sie fest an sich und fuhr rasch mit den Händen über ihren Rücken, rieb sie wie wild, so als müsse er sich vergewissern, dass sie wirklich echt war. Auch sie brauchte diese Bestätigung, griff nach seinen Schultern und atmete seinen klaren, würzigen Duft tief ein, so tief, als wolle sie ihn ganz in sich aufnehmen und für ein Leben lang aufbewahren.
»Gott sei Dank, dass es dir gut geht«, sagte er. Sein Atem traf ihren Hals in warmen, schwungvollen Stößen.
»Gott sei Dank geht es dir gut«, flüsterte sie bewegt. Sie lehnte sich weit genug zurück, um ihn ansehen zu können. Das brauchte sie jetzt. Er runzelte seine dunklen Brauen, als er seinen Blick über ihr Gesicht gleiten ließ. Er schien gierig darauf, jede Einzelheit von ihr wahrzunehmen. »Als ich den Schuss gehört habe, konnte ich nur an dich denken, wie du da vor all den Leuten gestanden hast. Ich musste mir die ganze Zeit vorstellen …«
» Schschsch , ist schon gut. Alles wird gut«, sagte Ian leise. Er strich ihr Haar nach hinten und fuhr dabei mit seiner Hand über ihren Kopf.
»Ian«, sagte Mrs. Hanson schwach hinter Francesca.
»Mrs. Hanson.« Ian machte sich so weit frei, dass er Mrs. Hanson umarmen konnte. »Wir sind alle okay«, versicherte er der älteren Frau. Er schaute in die besorgten Gesichter des versammelten Personals. »Niemand aus der Familie oder vom Personal wurde verletzt. Die Polizei evakuiert gerade die Presse und sichert das Gelände.«
» Lucien .«
Ian, Francesca und Mrs. Hanson schauten sich bei Elises ängstlichem Ruf um. Officer Inez war Elises Anblick offensichtlich nicht so vertraut wie der von Ian. Er hielt sie im Korridor zurück, was ihm aber, trotz seiner geschätzten fünfzig Kilogramm Vorsprung, ziemlich schwerfiel.
»Es ist in Ordnung«, sagte Lucien scharf und lief auf sie zu. »Sie ist meine Frau!«
Eine weitere Welle der Erleichterung durchflutete Francesca, als sie sah, wie Lucien Elise in die Arme schloss. Über Luciens Schulter hinweg konnte sie einen Blick auf ihre Freundin erhaschen, die die Augen fest geschlossen und einen intensiven, dankbaren Gesichtsausdruck hatte. Francesca wusste genau, was Elise in diesem Moment spürte.
»Geht es wirklich allen gut?« Francesca flüsterte die Frage zitternd. Ian musste ihr Officer Inez’ Bericht
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