Weil du mich siehst
Stillstand kamen ... hatte sie aufgehört zu weinen … und ich sah nur noch Schwarz.«
Paula legte sich eine Hand an die Schläfe. Finn konnte es kaum mehr ansehen, wie sehr sie litt. Er reichte ihr ein Taschentuch, das sie dankbar annahm und in das sie hinein schnäuzte. Wie gern hätte er sie jetzt in den Arm genommen, ihr gesagt, dass es genug sei, dass sie nicht weitermachen brauche. Doch er wusste nur zu gut, wie heilend es war, endlich loszulassen und sich den Schmerz von der Seele zu reden. Paula würde selbst wissen, wann sie aufhören wollte.
»An diesem Tag gingen sie beide von mir … und ließen mich zurück. Das hat mich fast um den Verstand gebracht. In den folgenden zwölf Monaten war ich nicht ich selbst. Ich sehnte mir den Tod herbei, ich wollte so gerne bei ihnen sein. Mehrere Male habe ich versucht, mir das Leben zu nehmen. Ich wusste, dass ich Damian im Stich ließ, aber er war in guten Händen bei meiner Schwester und ich konnte nichts sehen als meinen eigenen Schmerz. Ich hatte meinen Mann und meine Tochter verloren, noch dazu mein Augenlicht, ich sah einfach keinen Sinn mehr im Leben. Max, den ich so sehr liebte, war fort, und mein kleines Baby, mit dem mir nur vier Tage gewährt waren, wurde mir einfach so genommen ... Ich dachte, ich könnte nie wieder glücklich sein, nie wieder lieben … und dann trat Finn in mein Leben ...«
Sie sah in Finns Richtung und lächelte ihn durch ihre Tränen an.
»Und auch wenn es verdammt noch mal nicht einfach für mich war, das einzusehen, habe ich letztendlich doch begriffen, dass man einfach weitermachen muss. Dass man versuchen muss, das Beste aus diesem Leben zu machen. Ich hoffe so sehr, dass es Max und Louisa gut geht, wo immer sie jetzt sind, und dass sie manchmal auf mich herabsehen … und am meisten wünsche ich mir, dass sie mich verstehen. Wir Menschen sind einfach nicht dazu geschaffen, allein auf dieser Welt zu wandeln. Wir müssen lieben, um zu überleben. Wisst ihr, all diese Zeit seit dem Unfall hatte ich keinen Lebenswillen mehr. Erst seit Kurzem versuche ich zu überleben, einfach einen Tag nach dem anderen zu überstehen. Und jetzt mit Finn an meiner Seite ...«, sie drückte seine Hand, »... hoffe ich, eines Tages sagen zu können, ich überlebe nicht nur, sondern ich LEBE endlich wieder.«
Finn hatte nun auch Tränen in den Augen. Paula war so stark. Er bewunderte sie zutiefst für ihre Tapferkeit. Als er sich in der Runde umsah, erkannte er, dass jeder einzelne von ihnen mit den Tränen zu kämpfen hatte. Da waren Connie und Melanie, die ihren Tränen freien Lauf ließen, Sascha und Horst, die stark sein und sich ihre Emotionen nicht anmerken lassen wollten, und Ayla und Johannes, die mit feuchten Augen dasaßen.
Paula wandte sich jetzt direkt an ihn: »Finn, ich bin so unendlich dankbar, dich gefunden zu haben. Ich kann in Worten gar nicht ausdrücken, was du mir bedeutest. Seit ich dich kenne, hat mein Leben wieder etwas Farbe bekommen und vielleicht wird es eines Tages wieder bunt und fröhlich sein. Bis dahin aber bin ich zufrieden mit dem, was wir haben, nämlich Zweisamkeit, Geborgenheit und Frieden. Ich werde niemals das Vergangene vergessen, aber ich werde uns zuliebe die Gegenwart bedeutsamer sein lassen. Finn, du warst mein rettender Anker, als ich beinahe unterging. Ich liebe dich, ich hoffe, du weißt wie sehr.«
»Ich weiß es, und ich liebe dich auch«, sagte Finn gerührt.
Die anderen, allen voran Johannes, konnten nicht fassen, was sie hörten. Sie hatten gesehen, dass sich zwischen Paula und Finn etwas Inniges entwickelt hatte, aber dass es wahre Liebe war, das hatte keiner gewusst. Außerdem waren sie geschockt, die Worte »Ich liebe dich« aus Finns Mund zu hören, wo sie ihn doch zuvor noch nie sprechen gehört hatten.
Paula war fertig und ließ sich von Finn in den Arm nehmen. Sie war so tapfer gewesen, jetzt, wo alles gesagt war, konnte sie ihre Last abwerfen und sich den zurückgehaltenen Tränen hingeben.
Nacheinander kamen alle auf sie zu, beglückwünschten sie zu ihrem Mut, sprachen ihr ihr Beileid aus, hielten sie im Arm und dankten ihr, ihre Geschichte mit ihnen geteilt zu haben. Dann fragten sie Finn, wann und wie er seine Stimme wiedergefunden hatte, und er sagte nur: »Die Liebe ist es gewesen. Wir müssen nur auf die Liebe vertrauen, denn sie ist der Schlüssel zu allem.«
Wenn ich eines Tages die Liebe finde , dachte Sascha, dann hören
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