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Weil du mich siehst

Weil du mich siehst

Titel: Weil du mich siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Inusa
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unterbrach sie ihn.
     
    Beschämt blickte er zu Boden. Genau das hatte er gedacht.
     
    »Weil Sie gar nicht sehen, wie wundervoll Ihr Sohn ist, wie fürsorglich und großzügig. Ich mache Ihnen keine Vorwürfe, denn ich verstehe Sie gut. Ich habe das Gleiche durchgemacht wie Sie, ich habe auch ein Kind verloren. Ich weiß, dass Sie in dem Kummer um Ihr totes Kind förmlich zergehen. Aber vielleicht ist es Zeit zu sehen, dass Sie noch ein weiteres Kind haben, eines, das lebt und das Sie braucht.« Paula sagte dies nicht vorwurfsvoll, nein, sogar voller Verständnis, aber ihre Worte klangen auch unendlich traurig.
     
    Finns Vater war zutiefst bewegt. Er wusste all diese Dinge, aber noch nie hatte sie jemand laut ausgesprochen.
     
    »Sie scheinen ein guter Mensch zu sein, verständnisvoll und gütig. Mein Sohn kann sich glücklich schätzen, Sie gefunden zu haben.«
     
    »Und ich bin glücklich, ihn gefunden zu haben.«
     
    Der Mann nickte und betrachtete Paula schweigend. Es gab vieles, über das er nachdenken musste. Doch das musste er zu Hause tun, wo er in sich gehen konnte. Er hörte einen Schlüssel, die Tür wurde geöffnet und Finn kam herein.
     
    »Was machst du denn hier?«, fragte er, eine Mischung aus Erstaunen und Wut.
     
    »Reg dich nicht auf, ich bin schon wieder weg«, sagte der Mann, der nicht älter als fünfzig sein konnte, der durch seinen Schmerz aber um Jahrzehnte gealtert war, und stand auf. »Ich wollte nur gern die Frau kennenlernen, die dich zurück ins Leben geholt hat. Ich danke Ihnen für Ihre ehrlichen Worte«, wandte er sich nun an Paula. »Es war eine Bereicherung, Sie kennengelernt haben zu dürfen.«
     
    Er ging an Finn vorbei, wobei er kurz die Hand hob, sie seinem Sohn auf die Schulter legen wollte, es aber im letzten Moment doch bleiben ließ.
     
    »Bleiben Sie doch zum Frühstück«, sagte Paula und die beiden Männer sahen sie ungläubig an.
     
    »Ich glaube nicht, dass das Finn so recht wäre.«
     
    Finn sah seinen Vater an, dann Paula, dann wieder seinen Vater. Er musste ihm eins lassen, es gehörte eine Menge Mut dazu, hier hergekommen zu sein. Es war vielleicht ein erster Schritt für sie beide, sollte er das kaputtmachen?
     
    »Ja, Papa«, sagte er deshalb, »warum bleibst du nicht zum Frühstück?«
     
    Nachdem sie zu dritt gefrühstückt und sich ein bisschen besser kennengelernt hatten – Finn selbst hatte wahrscheinlich noch nie so viel mit seinem Vater geredet – verabschiedete sich Herr Krüger und ließ die beiden Liebenden allein.
     
    »Ich kann nicht glauben, dass wir gerade an einem Tisch mit meinem Vater saßen, und das ganz ohne Streit und Vorwürfe.«
     
    »Dein Vater ist auch nur ein Mensch, der versucht, irgendwie mit seinem Schmerz klarzukommen, der versucht, nicht an seiner schweren Last unterzugehen. Er hat Fehler gemacht, wie wir alle, Finn, aber bitte versuche mal, dich in ihn hineinzuversetzen, er hat seine Frau verloren und dann auch noch seinen Sohn.«
     
    »Aber ich war noch da, mich hatte er nicht verloren.«
     
    »Er hat seinen Halt verloren. Er ist nicht auf den Gedanken gekommen, dass es dir genauso ging und dass ihr euch vielleicht gegenseitig Halt hättet geben können. Ich weiß, du bist verletzt und enttäuscht, aber willst du nicht versuchen, ihm zu vergeben und noch einmal neu anfangen mit ihm? Es würde euch beiden so gut tun.«
     
    Finn sah Paula an. Er wusste nicht, ob er es konnte. Es nur für sie zu tun wäre nicht ehrlich. Wenn, dann wollte er es aus Überzeugung tun. Doch noch war er nicht bereit dazu. Das heute war ein kleiner Schritt, den sie beide aufeinander zu getan hatten. Der Rest musste sich langsam entwickeln. Vergeben könnte er ihm vielleicht eines Tages, doch vergessen würde er niemals all die einsamen Nächte, die er sich in den Schlaf geweint hatte, all die Vorwürfe, die er sich gemacht und die ihm keiner genommen hatte.
    Es war nicht so einfach, doch für jeden Schritt, den sein Vater auf ihn zuging, würde er auch einen gehen. Am Ende würden sie sich vielleicht in der Mitte treffen, doch das würde ein langer Weg sein.
     
    ♥
     
    Zwei Wochen später war Weihnachten. Paula und Finn brachten zur letzten Gruppensitzung vor dem Fest selbstgebackene Plätzchen mit. Finn, der noch nie zuvor gebacken hatte, hatte sich von Paula erklären lassen, was er tun sollte, ohne dass sie sehen konnte, was er tatsächlich tat. So waren die Sterne am Ende ohne Zacken und die Weihnachtsmänner ohne Kopf, aber

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