Weil ich Layken liebe
viele Minuten habe ich dich geliebt,
so viele Minuten habe ich an dich gedacht,
so viele Minuten habe ich mich um dich gesorgt
und so viele Minuten habe ich Gott dafür gedankt, dass es dich gibt.
Ihm und allen anderen Göttern und Göttinnen des Universums.
Einemillioneinundfünfzigtausendzweihundert.
So viele Male hast du mir ein Lächeln entlockt,
so viele Male hast du mich zum Träumen gebracht,
so viele Male hast du mir Zuversicht geschenkt,
so viele Male hast du mich Neues entdecken lassen,
so viele Male hast du mich mit Liebe erfüllt
und mir gezeigt, wie schön es sein kann –
zu leben.
Und zu lieben.
Gavin lässt die Hand mit dem Blatt sinken und blickt auf. Er geht durch die Reihen nach hinten zu dem Platz, an dem Eddie sitzt, kniet sich vor sie hin und sieht ihr tief in die Augen, während er den letzten Vers seines Gedichts frei vorträgt.
Und von diesem Moment an gerechnet
in einermillioneinundfünfzigtausendzweihundert
Minuten werde ich so wie jetzt vor dir knien und dich
bitten, alle restlichen Minuten deines Lebens mit mir zu
verbringen.
Eddies Augen leuchten, als sie sich vorbeugt, Gavin an sich zieht und ihn lange umschlungen hält. Die Jungs im Kurs stöhnen auf und die Mädchen schmelzen dahin, während ich mich an meinem Platz innerlich krümme, weil mir davor graut, dass noch jemand seinen Text vortragen muss: ich.
»Danke, Gavin, du kannst dich wieder setzen. Gut gemacht.«Will sieht nicht von seinen Notizen auf, als er mich aufruft. Seine Stimme ist leise und ich meine, ein leichtes Zittern darin zu hören, als er meinen Namen sagt: »Layken, dann bist du jetzt dran.«
Okay. Ich bin bereit. Ich bin zufrieden mit meinem Text. Er ist kurz, aber ich habe das, was ich ausdrücken wollte, auf den Punkt gebracht. Weil ich ihn auswendig kann, lasse ich den Zettel auf meinem Tisch liegen, als ich nach vorn gehe.
»Vorher habe ich noch eine Frage.« Mein Herz hämmert mir gegen die Rippen, weil mir plötzlich klar wird, dass ich Will zum ersten Mal vor der Klasse anspreche, obwohl ich schon seit einem Monat in seinem Kurs bin.
Er runzelt die Stirn und sieht aus, als würde er am liebsten so tun, als hätte er mich nicht gehört. Dann nickt er unmerklich.
»Es gibt kein Zeitlimit, oder? Und es ist auch nicht so, dass sich unbedingt immer irgendwelche Wörter oder Satzteile wiederholen müssen.«
Ich weiß nicht, was für eine Frage er erwartet hat, jedenfalls sieht er erleichtert aus.
»Nein. Es gibt keinerlei Regeln oder Vorgaben, was die Form betrifft.« Seine Stimme klingt belegt und ich sehe ihm an, dass er genauso wie ich an das denkt, was gestern Abend zwischen uns gewesen ist. Umso besser.
»Gut. Also dann …«, sage ich. »Mein Text hat einen Titel. Er heißt: Mies .«
Ich hebe stolz den Kopf und sehe in die abwartenden Gesichter vor mir.
Im Wörterbuch
und tief in mir
habe ich über dreißig verschiedene Synonyme gefunden, die etwas umschreiben, das nichts anderes ist als:
mies
Ich brülle sie so heraus, dass die gesamte Klasse inklusive Will zusammenzuckt.
Unfair. Arglistig. Ungalant. Fies. Unredlich. Gnadenlos. Unverschämt. Lieblos. Unsympathisch. Hartherzig. Hinterhältig. Schandbar. Verdorben. Verkommen. Verderbt. Tückisch. Hinterlistig. Gewissenlos. Roh. Verwerflich. Missraten. Boshaft. Grausam. Widerwärtig. Abstoßend. Herzlos. Böse. Schuftig. Monströs. Charakterschwach. Gefühllos. Brutal. Barbarisch. Hundsgemein.
Mieses zu tun macht dich zu einem Mistkerl. Zu einem Schweinehund. Zu einem Drecksack. Zu einem Fiesling. Und zu einem – dieses Wort trifft es meiner Meinung nach am besten – Arschloch!
Bevor ich an meinen Platz gehe, werfe ich Will noch einen kurzen triumphierenden Blick zu und sehe, dass sich sein Gesicht gerötet hat und er die Zähne aufeinanderpresst. Eddie ist die Erste, die klatscht – zögernd erst, dann immer lauter –, und bald fallen die anderen Mädchen aus der Klasse mit ein. Ich starre, die Arme vor der Brust verschränkt, auf meine Tischplatte.
»Krass«, höre ich Javi hinter mir sagen. »Auf wen bist du so sauer?«
Im nächsten Moment ertönt der Gong und alle um mich herum beginnen ihre Sachen zusammenzupacken und den Raum zu verlassen. Will hat bisher noch kein Wort gesagt. Ich greife gerade nach meinem Rucksack, als Eddie von hinten auf mich zukommt.
»Hast du schon mit deiner Mutter gesprochen?«, fragt sie.
Ich sehe sie erstaunt an. »Mit meiner Mutter? Weswegen denn?«
»Na, wegen deinem Date mit
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