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Weil ich Layken liebe

Weil ich Layken liebe

Titel: Weil ich Layken liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen Hoover
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getan, als würde ich hyperventilieren, nur damit er mich in die Arme nahm. Ich würde alles dafür geben, wenn er jetzt hier wäre.
    Die Tür geht auf und Will kommt mit dem schlafenden Caulder in den Armen herein. »Kel ist aufgewacht und schon zu euch rüber«, sagt er leise. »Du solltest jetzt auch gehen.«
    Ich schäme mich. Schäme mich für das, was gerade zwischen uns passiert ist, und dafür, dass ich wie ein Häufchen Elend hier vor ihm kauere. Ein Häufchen Elend, zu dem er mich gemacht hat.
    Von plötzlicher Wut erfüllt, springe ich auf, schnappe mir meine Autoschlüssel vom Tisch und stelle mich dicht vor ihn hin. »Du Arschloch«, zische ich, bevor ich hinausstürme und die Tür hinter mir zuknalle.
    In meinem Zimmer werfe ich mich aufs Bett und breche schluchzend in Tränen aus. Und nachdem ich eine Weile geheult habe, kommt mir endlich die Inspiration für meinen Slam-Text. Ich greife nach dem Ringbuch und fülle die Seiten mit Worten, während gleichzeitig meine Tränen aufs Papier tropfen.

7.
    You can’t be like me
but be happy that you can’t.
I see pain but I don’t feel it.
I am like the old tin man.
    – THE AVETT BROTHERS, »TIN MAN«
    In meinem Psychologie-Kurs letztes Schuljahr habe ich gelernt, dass es fünf Phasen der Trauer gibt, die man nach dem Tod eines geliebten Menschen durchläuft: Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression und schließlich Akzeptanz.
    Wir nahmen gerade die vierte Phase durch, als es an der Tür klopfte und unser Schulleiter Mr Bass ins Zimmer trat.
    »Layken, könntest du bitte kurz rauskommen?«
    Mr Bass war ein sympathischer dicker Mann, der die Dinge gemütlich anging. Er patrouillierte nicht durch die Flure und sorgte autoritär für Recht und Ordnung, sondern saß lieber in seinem Büro und bestellte die Schüler zu sich, wenn er ihnen etwas zu sagen hatte. Jetzt wirkte sein sonst so freundliches Gesicht allerdings angespannt und auf seinerStirn standen Schweißperlen, obwohl es für die Jahreszeit ungewöhnlich kühl war. Ich fragte mich, was er von mir wollte.
    Als ich aufstand und zögernd auf ihn zuging, spürte ich ein ungutes Gefühl in mir aufsteigen. Statt mir entgegenzusehen, wich er meinem Blick aus und schaute betreten zu Boden. Hatte er Mitleid mit mir? Warum?
    Draußen im Flur erwartete mich meine Mutter. Sie stand mit hängenden Armen da, Wimperntuschespuren im Gesicht. Ein Blick in ihre Augen genügte und ich wusste, weshalb sie da war. Weshalb sie da war und nicht sie und mein Vater.
    »Aber was …?«, rief ich, bevor Mom mir in die Arme fiel und zusammenbrach. Es gelang mir nicht, sie zu stützen, und wir sanken gemeinsam zu Boden. »Nein, bitte nicht«, schluchzte ich. »Nein, das kann nicht sein!«
    An diesem Tag erlebte ich im Flur des Schulgebäudes die erste Phase der Trauer.
    Gavin tritt nach vorn, um seinen Text vorzutragen. Das Blatt, das er in den Händen hält, zittert. Er räuspert sich.
    Ich blende Gavin aus, konzentriere mich auf Will und frage mich, ob sich die fünf Phasen der Trauer nur auf den Tod eines geliebten Menschen beziehen oder ob sie sich auch auf andere Arten des Verlusts übertragen lassen. Wenn ja, dann stecke ich gerade ganz tief in Phase zwei: Wut.
    »Wie heißt dein Text, Gavin?«, fragt Will, der mit gezücktem Stift am Pult sitzt. Es macht mich wütend, wie aufmerksam er ist – allen anderen gegenüber, außer mir. Es machtmich wütend, dass er mir das Gefühl gibt, ein riesengroßes, unsichtbares Nichts zu sein. Es macht mich sogar wütend mitanzusehen, wie er den Stift in den Mund steckt und gedankenverloren daran knabbert. Die Lippen, die sich jetzt um dieses tote Stück Plastik schließen, haben sich gestern Abend noch ganz langsam an meinem Hals entlang bis zu meinem Mund hochgearbeitet …
    Ich schiebe den Gedanken an den Kuss so schnell aus meinem Kopf, wie er sich hereingedrängt hat. Keine Ahnung, wie lange es dauern wird, aber ich bin fest entschlossen, den Bann zu brechen, mit dem Will mich belegt hat.
    »Wie mein Text heißt? Oh … hm. Eigentlich hat er keinen Titel«, sagt Gavin, der als Vorletzter dran ist. Fast alle anderen haben ihre Texte schon vorgetragen. »Aber ich schätze, man könnte ihn Vor-Antrag nennen.«
    »Vor-Antrag? Aha. Okay, dann fang mal an«, sagt Will mit seiner souveränen Lehrerstimme, die mich auch wütend macht.
    Gavin räuspert sich und das Blatt in seinen Händen zittert noch heftiger, als er zu lesen beginnt.

    Einemillioneinundfünfzigtausendzweihundert.
    So

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