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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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gewesen, dass es beinahe zum
psychologischen Muss für die Spieler geworden war: Zur Pause musste Avery vorn
sein.
    Nach einem gelungenen Schnellangriff von Faye bekam Rob eine knappe
halbe Minute vor Halbzeit den Ball. Er passte zur Silas, der sofort die Punkte
machte. Die Avery-Fans drehten fast durch. Wieder holte sich Silas den Ball und
setzte zu seinem nächsten Dreier an. Der Ball flog hoch, aber dann sah es aus,
als hielte er in der Luft an, und er plumpste zu Boden, wie mit Blei gefüllt.
Silas hatte verkrampft. Das passierte ihm fast nie. Sekunden vor dem Pfiff fing
Rasheed einen Wurf ab und hörte Silas nach dem Ball schreien. Er glaubte, Silas
wolle seinen Fehler noch vor der Pause wiedergutmachen und passte zu ihm. Silas
hielt den Ball zu lange – die Fans kreischten: Wirf! Wirf   doch! –, kehrte dem Korb den Rücken und
schleuderte den Ball mit aller Wucht zur Tribüne hinauf. Rasheed konnte es
nicht fassen.
    Er traf eine Frau ins Gesicht. Die Mannschaft sah zu, wie die
Verletzte von der Tribüne geführt wurde. Der Schiedsrichter warf Silas aus dem
Spiel und schickte ihn  in die Kabine.
Rasheed erinnerte sich, dass er und Irwin einander angesehen und einer den
anderen gefragt hatte, was zur Hölle das sollte. Beide wussten, dass Silas den
Ball mit Absicht auf die Tribüne geworfen hatte. Beide hatten so etwas noch
nicht erlebt. Mit dem Halbzeitpfiff gingen sie in die Kabine, aber Silas war
nicht dort. Rasheed fragte sich, ob Silas einfach im ärmellosen Trikot und in
Basketballshorts aus dem Gebäude marschiert war, mitten im Januar.
    Die zweite Halbzeit, ohne Silas – die Mannschaft total daneben –,
war die reinste Katastrophe. Das Heimteam  war schon platt, als es wieder aufs Spielfeld
kam, und Faye siegte mit einem Riesenvorsprung.
    Als Rasheed zwei Tage später, an einem Montagabend, nach dem
Abendessen im Wohnheim in sein Zimmer kam, sagte sein Zimmergenosse Shawn:
»Hey, Rasheed, schau dir das hier mal an.«
    Die Bilder auf Shawns Computerschirm sahen nach Porno aus. »Hast
du’s nötig, dir so einen Scheiß anzusehen?«, fragte Rasheed, um ihn ein
bisschen zu ärgern.
    »Nein, im Ernst«, versetzte Shawn. »Ist das nicht ein Zimmer in
einem Avery-Wohnheim?«
    Rasheed stellte sich hinter Shawn und schaute sich die Bilder an,
die Teil eines Amateurfilms zu sein schienen. Er sah Turnschuhe auf dem
Fußboden. Es konnte ein Avery-Wohnheim sein, ja. Wer immer den Streifen bei
YouTube gepostet hatte, hatte die Gesichter ausgespart, aber man erkannte
deutlich genug, was da abging. Er wollte sich gerade abwenden, als er die
Hemden auf dem Boden bemerkte – Silas’ grünes Flanellhemd und J. Dots Sweatshirt mit den kurz über
den Ellbogen abgeschnittenen Ärmeln. Rasheed verdrehte die Augen zur Decke. Er
wusste schon in diesem Moment, dass es mit dem Basketball aus und vorbei war.
    Er konnte die Presseberichte, die das gesamte Team in den Schmutz
zogen, nicht verhindern. Das war die Zeit gewesen, als es ihn am heftigsten
gedrängt hatte, den Mund aufzumachen und sich zu wehren. Aber sein Vater hatte
zur Vorsicht geraten. Schau nach vorn , hatte er
gesagt. Die drehen dir nur das Wort im Mund um. Schweig
einfach. Rasheed hatte also geschwiegen, selbst als sie den Coach
entlassen und die restlichen Spiele abgesagt hatten. Selbst als die Zeitungen
von der »Anmaßung« des Teams sprachen oder von der »Zügellosigkeit« unter den
Spielern. Rasheed hätte gern gewusst, wie jemand solche Unwahrheiten ungestraft
schreiben durfte, aber Journalisten war anscheinend alles erlaubt.
    Rasheed blickte wieder zur Stadt hinunter und sah seinen Prof den
Hang heraufkommen, den Kopf vor dem Wind gesenkt, der im Spätherbst und Winter
über den Campus fegte. Er ging ins Gebäude und setzte sich in den Seminarraum.
Manchmal machte er sich Gedanken darüber, was aus J. Dot und Rob geworden war. Sie hatten keinen Kontakt
gehalten. Anfangs hatte es Rasheed verletzt, dass Irwin sich nie meldete, wenn
er ihn anrief.
    Unter seinem Foto in der Liste der Erstsemester stand AVERY ACADEMY . Es gab immer noch Typen, die ihn nach dem
Skandal fragten. Sogar Lehrer hatten ihn angequatscht, weil sie die Geschichte
aus erster Hand haben wollten. Ob die Fragen wohl je aufhören würden?
    Er war nicht der Einzige, der aus der Bahn geworfen war, dachte er
bei sich, während er sein Buch aus dem Rucksack nahm. Irwin, Jamail, Jay und
Christian war es vermutlich nicht besser ergangen. Niemand, der in diesem Jahr
in der Mannschaft

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