Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
diese Schule kam.
Du wolltest es nicht. Du wolltest nicht, dass er da hingeht.
    Monatelang glaubte ich, ich täte es für Silas.
    Das stimmt nicht. Ich habe es für mich getan.
    Ich erinnere mich an seine Besuche. Ich erinnere mich an das
blaue Oxford-Hemd und die Krawatte. Immer zog er das Jackett aus und hängte es
sorgsam über den Küchenstuhl, auch wenn es kühl war. Er roch leicht nach Zitrus
und manchmal nach Schweiß, wenn wir beieinandersaßen und die
Bewerbungsformulare durchgingen oder, später, über den Elternbeirat sprachen.
Noch eine Zeit später kam er öfters zum Abendessen.
    Einmal hob ich sein Hemd vom Boden auf, nachdem  wir zusammen im Bett gewesen waren, und atmete
den Duft ein. Einmal dieses Hemd zu berühren, war jahrelang meine einzige
konkrete Phantasievorstellung gewesen.
    Er brachte Wein mit. Ich griff über den Tisch und legte meine
Hand auf seine. Er war erschrocken. Ich habe es ihm angesehen. Er schaute mich
an und sofort wieder weg. Wir waren betrunken, oder ich war betrunken. Sonst
hätte ich gar nicht den Mut gehabt, ihn zu berühren. Aber ich war froh, dass
ich es getan hatte. Ich habe diese Berührung immer noch im Gefühl, spüre immer
noch die raue Haut seiner Hand und die warmen Finger mit den knochigen
Gelenken.
    Als er anrief, wusste ich, dass es unausweichlich war.
    Hatte ich Angst? Hatte ich irgendwann einmal Angst vor den
Konsequenzen?
    An jenem Nachmittag habe ich auf ihn gewartet, während ich zusah,
wie die tief stehende Sonne die Felder rosig färbte und die Berge in schwarzem
Schattenriss aus dem tiefblauen Himmel schnitt. Damals war ich glücklich. Ich
öffnete die Tür, sobald er den Fuß auf die hintere Veranda setzte. Ich hatte
einen grauen Pulli und einen schwarzen Rock an. Er umarmte mich nicht gleich,
und daran merkte ich, dass auch er nervös war. Ich nahm ihm den Mantel ab, und
wie immer zog er sein Sportsakko aus und hängte es über die Lehne des
Küchenstuhls. Er wirkte ruhig und abwartend. Wie damals in dem verunglückten
Auto. Der Karton mit dem Wein, der noch übrig war, stand nicht weit vom Tisch auf
dem Boden.
    »Können Sie bleiben?«, fragte ich.
    Ich erkannte Verwirrung in seinem Gesicht. Er stemmte die Hände in
die Hüften und blickte zu seinem Wagen hinaus, als stünden ihm wichtige Erledigungen
bevor. Aber ich wusste schon, was er sagen würde.
    »Eine Tasse Tee?«, fragte ich. »Ein Glas Wein?«
    »Bei einem Glas gutem Rotwein sage ich nie Nein.«
    Es war für uns beide eine Erleichterung, das hinter uns gebracht zu
haben.
    Er nahm mir die Flasche aus der Hand, als ich den Korkenzieher
holte. Ich nahm zwei Gläser aus dem Küchenschrank. »Sie wussten, dass ich Ja
sagen würde«, sagte  er.
    Ich ging zum Tisch. Ich setzte mich.
    Er goss den Wein ein, seine Hand war ruhig. Ich trank einen
Schluck. Als ich ihn ansah, bemerkte ich, dass er mir zulächelte. Ich hatte
schon lange keinen so liebevollen Blick mehr im Gesicht eines Mannes gesehen.
    »Wie war es gestern Abend?«, fragte er.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du, mein Mann, dich für die
Aktivitäten des Elternbeirats interessieren würdest. Aber das ist nicht der Grund,
warum ich es getan habe. Ganz und gar nicht. Dass es dich nicht interessierte,
war mir egal. Was mich trieb, war das Begehren.
    Meine Stimme zitterte beim Sprechen, und ich bemühte mich, sie
zu beherrschen. Ich hatte plötzlich das erschreckende Verlangen zu weinen. Ich
presste die Lippen aufeinander, um den Drang zu unterdrücken. Er stand auf und
kam auf mich zu.
    Er zog mich vom Stuhl hoch. Ich legte meine Hände flach auf seine
Hemdbrust. Nicht um ihn wegzustoßen, nur weil ich ihn berühren wollte. Er küsste
mich. Ich lehnte mich an ihn.
    »Du gehst ein ungeheures Risiko ein«, sagte er.
    »Das hast du gestern Abend schon gesagt.«
    »Ich sage es noch einmal.«
    »Nein, tu das nicht.«
    »Was soll ich nicht tun?«
    »Du sollst mir das hier nicht ausreden.«
    Er küsste mich noch einmal.
    »Sind wir hier sicher?«, fragte er.
    »Owen ist unterwegs, und Silas beim Training«, antwortete ich.
    Ich weiß heute, dass diese sieben Worte die verräterischsten
meines Lebens waren. Der unausgesprochene Vorsatz. Das Vorausplanen. Die
Bilder. Alles eingestanden. Alles offenbart.
    Er schob seine Hände in mein Haar und hob es an, erstaunt über
sein Gewicht. Er umfasste eine meiner Brüste mit der Hand. Ich neigte den Kopf
zur Seite, und er küsste mich auf den Hals.
    Ich riss mich von ihm los. Ich zog mein Haar nach

Weitere Kostenlose Bücher