Weil wir glücklich waren - Roman
servierte Schlagsahne, genauso, wie sie es gemacht hatte. Außerdem stellte er ein gerahmtes Foto von ihr auf den großen Tisch, auf dem all die Kuchen standen, damit es so aussah, als schaue sie zu und lächele ihre vertrauten Gäste an.
Und letztes Jahr waren wir alle dort gewesen: meine Mutter und mein Vater, Elise, Charlie und ich. Ich hatte mir nicht viel dabei gedacht. Ich hatte nicht geahnt, dass es das letzte Mal sein würde, dass sich danach alles ändern würde.
Tim stützte die Ellbogen auf seine Knie. Obwohl er die Knie geknickt hatte, ragten seine Beine weit auf den Bürgersteig. Als ein Mann vorbeiging, zog er sie ein. »Ich habe bloß gefragt«, sagte er, »weil ich dir helfen wollte. Du hasst deinen Job, stimmt's? Ich habe versucht, dir zu helfen.«
»Ich weiß«, erwiderte ich.
Er verdrehte die Augen. »Okay, das stimmt nicht ganz. Ich wollte, dass du einziehst. Meinetwegen.«
»Aber du wolltest mir auch helfen. Das weiß ich.«
Er warf mir einen langen, forschenden Blick zu und ließ ihn von einem meiner Augen zum anderen wandern. Dann verzog sich sein Mund zu etwas, das beinahe wie ein Lächeln aussah. »Ich vergesse immer wieder, wie jung du bist.« Jetzt sah er wieder unglücklich aus. »Das macht einen Unterschied, denke ich.«
Ich nickte. Entgegen der allgemeinen Überzeugung war es nicht immer so toll, jung und verliebt zu sein. Und trotzdem musste ich mich sogar in diesem Moment auf meine Hände setzen, damit sie nicht zu ihm wanderten. Es war wie ein körperlicher Zwang.
Eine Weile saßen wir auf der Bank, ohne etwas zu sagen. Jemand ging vorbei und gab jedem von uns ein Flugblatt für einen Garagenflohmarkt.
Er rieb sich die Augen und sah mich an. »Was willst du, Veronica? Willst du mehr ausgehen? Willst du andere Jungs kennenlernen und dann wieder mit mir zusammenkommen? Das mache ich nicht mit. Das kann ich dir gleich sagen.«
»Nein. Das will ich nicht.«
»Was dann? Weißt du es?« Er deutete auf sich. »Ich weiß es nämlich.« Seine Ohren waren an den Spitzen leicht gerötet, vielleicht von der Kälte, vielleicht auch nicht. Er blinzelte in den Himmel. »Irgendwann ... möchte ich das haben, was meine Eltern haben. Das ist nicht so schlimm. Sie sind ziemlich glücklich. Okay? Ich weiß, dass du die Ehe im Moment eher zynisch siehst. Aber manchmal klappt es einfach. Das wüsstest du, wenn du meine Eltern einmal kennengelernt hättest.«
Das stimmte wahrscheinlich. Zwei Geschichten über sie hatten sich mir eingeprägt. Die erste - die noch aus der Zeit vor der Geburt von Tims ältestem Bruder stammte - war, dass seine Mutter einen Autounfall gehabt und dabei so schlimme Verbrennungen an ihrem linken Arm und ihrem Nacken erlitten hatte, dass sie monatelang im Krankenhaus liegen musste. Tims Vater hatte jede freie Minute bei ihr verbracht, um ihr vorzulesen oder einfach bei ihr zu sitzen, damit sie wusste, dass sie nicht allein war. Die zweite war erst letztes Jahr passiert. Die beiden waren gebeten worden, ein Kino zu verlassen, weil sie bei einem Film, der nicht komisch sein sollte, zu viel gelacht hatten.
»Ich wünschte, ich hätte sie kennengelernt«, sagte ich, weil es stimmte. Er drehte den Kopf um und sah mich zornig an.
»Warum?«, fragte er. »Aus welchem Grund? Reine Neugier?«
Ich schüttelte den Kopf, als wäre das eine vernünftige Antwort. Er wartete.
»Ich will ...« Ich rieb mir die Augen und versuchte nachzudenken. »Ich will mit dir zusammen sein, aber ...« Aber was? Mir fiel das richtige Wort nicht ein. Es war dasselbe Gefühl wie in dem LKW, als wir an allen Ausfahrten vorbeirollten. »Bei dir einzuziehen wäre so leicht. Es ist das, was ich mir wünsche. Aber es wäre vielleicht nicht gut für mich.« Noch während ich es sagte, hörte ich, wie kalt die Worte klangen, und ich hoffte, er würde an meiner Stimme merken, dass sie überhaupt nicht kalt gemeint waren. »Was ich gestern Abend gesagt habe, habe ich alles so gemeint. Ich habe eine große Dummheit gemacht, und ich möchte immer noch mit dir zusammen sein.« Ich langte zu ihm hinüber und zupfte am Bund seines Pullovers. Dort ließ ich meine Hand liegen, und eine Weile rührte er sich nicht.
Aber irgendwann tat er es doch. Schweigend packte er seine Sachen wieder ein. Als er endlich etwas sagte, dachte ich, ich würde eine Antwort bekommen, so oder so. Doch er starrte nur in den blauen Himmel und erzählte, das Wetter solle umschlagen, vielleicht werde es schneien. Ich schloss die
Weitere Kostenlose Bücher