Weil wir glücklich waren - Roman
beruhigend in meinen Händen anfühlten. Ich hatte das Gefühl, Druck abzulassen - als würde sich ein verborgener Muskel in meinem Inneren endlich lockern. Eine Weile waren wir alle still, und nur die Katzen, die Musik und gelegentlich ein Lachen waren zu hören.
Natürlich dachte ich daran, wer das hier lieben würde, wer eigentlich dabei sein sollte. Ich berührte meine Mutter am Arm. »Hast du Marley gefragt?«, flüsterte ich.
Sie nickte, ohne mich anzuschauen.
»Ist sie in ihrem Zimmer?«
Wieder nickte sie. Sie sah mich immer noch nicht an. Aber als ich aufstand und Sand von meinen Händen schüttelte, griff sie über meinen Stiefel und drückte mein Knie.
Der graue Teppichboden sah vor Marleys Zimmer etwas ausgeblichener aus als im übrigen Flur - es war der einzige Teil, der regelmäßig Sonne abbekam. Sie ließ fast immer ihre Tür offen, wenn sie da war - eine ständige, hoffnungsvolle Aufforderung an alle, bei ihr hereinzuschauen. Oder an fast alle. Vom Gang aus konnte ich nur die Spitze eines ihrer rosa Schweinchenslipper auf dem Fußboden sehen. Ich drückte mich an die Wand, als ich an die Tür klopfte.
»Herein.«
Rasch trat ich ins Zimmer. Sobald sie mich sah, starrte sie wieder auf ihre Arbeit.
»Was willst du?«, fragte sie.
Sie saß an ihrem Schreibtisch - wenigstens nahm ich an, dass es ihrer war. Das Zimmer war unverkennbar in zwei Hälften geteilt. Das Bett hinter mir war so ordentlich gemacht wie in einer Schaufensterauslage, mit einer geblümten Tagesdecke und passenden Zierkissen. Briefe einer Studentenverbindung, blau mit winzigen Gänseblümchen, hingen über dem Bett an der Wand. Auf der Kommode standen mehrere gerahmte Fotos von sonnengebräunten, lächelnden Mädchen in formeller Kleidung, die Köpfe aneinandergelegt, die Arme fast immer verschlungen. Ich betrachtete jedes einzelne Bild und versuchte, Marleys Mitbewohnerin zu entdecken. Es war wirklich nicht meine Schuld, dass ich sie nicht erkannte. Sie war praktisch nie da.
Das andere Bett war ungemacht. Die Quiltdecke, die Marley immer mit in die Lobby schleppte, war achtlos hingeworfen worden, und ein Kissen, dessen Bezug zu nichts passte, war auf den Boden gefallen. In einer Ecke lag das geblümte Kleid auf dem Boden, das sie getragen hatte, als ich sie anschrie. Das Waldhorn lag am Fußende des Bettes und sah mit all seinen geschwungenen Röhren schön und gleichzeitig kompliziert aus.
»Was willst du?«
Mein Blick wanderte zu ihrer Pinnwand. Sie hatte eine Ansichtskarte, auf der ein Junge mit einer Fritte in der Nase war, und eine andere von einem Frettchen, das gerade gebadet wurde, darangesteckt. Es gab noch ein großes Schwarz-Weiß-Poster von einem Mann mit Fliege, der Waldhorn spielte, aber auch das war nur mit Tesafilm an die Wand geklebt. Nur ein Bild war gerahmt, es stand auf ihrem Schreibtisch: Eine Frau mit schwarzer Brille saß am Klavier, neben sich ein lächelndes, kleines Mädchen. Ich beugte mich vor, um es besser anschauen zu können.
»Bist du das?«, fragte ich. »Mit deiner Mom?«
Sie nahm das Bild und drehte es um, sodass ich es nicht mehr von vorne sehen konnte. »Komm nicht hier rein und stell mir Fragen! Komm nicht hier rein und frag nach meiner Mom! Du bist noch nie in meinem Zimmer gewesen.« Wieder blickte sie auf. »Zum letzten Mal, was willst du?«, fragte sie. »Ich habe zu tun, wie du siehst.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, woran sie arbeitete. Ihr Schreibtisch war kreuz und quer mit Notenblättern übersät, die überall in Marleys eigener Handschrift bekritzelt waren. Warum mir das seltsam vorkam, weiß ich nicht. Ich hatte die Vorstellung, dass Leute, die ein Instrument spielten, Musik irgendwie auf magische Weise erfassten und wiedergaben. Natürlich wusste ich, dass sie üben mussten. Aber ich hatte es mir nie so vorgestellt, dass sie Musik richtig studierten, darüber nachdachten, wie ich vielleicht über ein Buch nachdachte.
»Möchtest du nicht in mein Zimmer kommen?« Schon wollte ich mich auf das Bett ihrer Mitbewohnerin setzen, ließ es dann aber doch lieber. »Wir machen Luminarias, aber das weißt du ja schon. Du solltest auch kommen, Marley.« Ich bückte mich und versuchte, ihren Blick einzufangen. »Bitte. Ich würde mich wirklich freuen.«
»Ich werde dein Zimmer nie wieder betreten.«
»Es tut mir leid«, entschuldigte ich mich.
Sie blickte auf. Ihre Nasenflügel bebten, und ihre Augen waren matt vor Traurigkeit. Erst jetzt begriff ich, wie
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