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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Augen.
    »Hör mal«, sagte er, als er aufstand. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich brauche ein bisschen Zeit.«
    Überrascht riss ich die Augen auf. Er musste es bemerkt haben, denn er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, wiederholte er fest. »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    Ich nickte ernst. Ich verstand, was er meinte. Aber ich war trotzdem voller Hoffnung. Allein die Tatsache, dass er über uns nachdenken wollte, war tröstlich. Wann wusste jemals jemand wirklich, was er wollte? Menschen, die Jahrzehnte miteinander verheiratet gewesen waren, brachen Versprechen, die sie sich selbst und ihrem Partner gegeben hatten, gute Absichten hin oder her. So war es nun mal mit der Liebe. Entweder man hatte einen Plan B, oder man musste sich schnell einen zurechtlegen. Was Tim in dieser Woche auch beschließen mochte, er konnte seine Meinung jederzeit ändern.
    Als ich ins Wohnheim zurückkam und meine Zimmertür aufmachte, sah ich meine Mutter neben Bowzer auf dem Fußboden sitzen - oder vielmehr auf Zeitungen, die überall herumlagen -, vor sich einen großen Eimer mit Sand. Ein dunkelhaariges Mädchen in einer rosa Kapuzenjacke saß rechts von ihr, Gretchen links. Drei andere Mädchen, die mir vage bekannt vorkamen, vervollständigten den Kreis um den Eimer. Alle schaufelten mit den Händen Sand aus dem Eimer und füllten ihn in kleine Papiertüten.
    Bowzer bemerkte mich zuerst. Er wedelte mit seinem Stummelschwanz und rappelte sich hoch. Ein bisschen Urin tropfte herunter und bildete eine Pfütze auf dem Linoleumboden.
    Meine Mutter blickte auf. »Oh, hallo, Liebes! Wie war die Prüfung?« Sie folgte meinem Blick zu Bowzer. »Ups«, kommentierte sie und stand auf. »Ich mach das schon. Ist ja nicht viel. Wischtücher habe ich in meiner Handtasche.«
    »Hey, Veronica.« Gretchen winkte mir zu. Sie wirkte unbeschwert und entspannt - so, als wäre sie schon eine ganze Weile da. Dabei hatte auch sie heute Morgen die Chemieprüfung gemacht. Wir hatten denselben Bus genommen und waren zusammen in den Prüfungsraum gegangen. Aber sie war natürlich früher fertig geworden als ich. »Ich bin nur hergekommen, um mit dir zum Lunch zu gehen«, erklärte sie und schüttelte eine neue Tüte auf. »Und anscheinend genau zur richtigen Zeit.«
    Ich schaute Bowzer an, dann wieder meine Mutter. Sie hatte den Fleck schon weggewischt und rieb mit einem anderen Tuch den Boden trocken.
    »Ach so«, sagte sie. »Mach dir deswegen keine Sorgen.« Sie warf beide Tücher in den Mülleimer und wischte sich mit einem anderen die Hände ab. »Ich habe die Situation erklärt. Sie mögen Hunde. Alles in Ordnung.«
    Alle blickten auf und nickten zustimmend. Ich trat einen Schritt zurück und überlegte, wo ich meine Tasche abstellen sollte. Noch nie hatte ich so viele Leute in meinem Zimmer gehabt.
    »Wir machen Luminarias. Lichttüten«, erklärte meine Mutter. Sie schwenkte ihre Hände über dem Kopf, um sie an der Luft zu trocknen. »Für Weihnachten. Ich nenne sie jedenfalls Luminarias. Wie nennst du sie noch gleich, Inez?«
    »Farolitos.« Das dunkelhaarige Mädchen hob den Kopf und lächelte. »Sie sehen bestimmt gut aus, wenn es schneit.« Dann zuckte sie die Achseln. »Sie sehen auf jeden Fall gut aus.«
    Inez. Falls es nicht zwei Mädchen namens Inez auf meiner Etage gab, war das Inez aus Albuquerque, der erste Mensch aus Albuquerque, den meine Mutter kennengelernt hatte. Sie trug silberne Kreolen, so groß, dass sie ihre Schultern berührten, und ihr Haar war tiefschwarz und sehr glatt.
    »Das sind nur Kerzen, Tüten und Sand.« Meine Mutter nickte Inez zu, lächelte und schaute dann erneut mich an. »Du hast den Einkauf bei Hobby Lobby verpasst.« Sie hockte sich wieder auf den Boden. »Setz dich doch, Liebes. Du kannst auch ein paar machen. Man kippt einfach genug Sand in die Tüte, damit sie schwer genug wird, und stellt eine Kerze hinein. Das macht Spaß.« Wieder sah sie zu mir. »Wie war der Test?«
    Ich schüttelte den Kopf. Mein Blick wanderte zu den Votivkerzen, die in einer Ecke standen.
    »Wo wollt ihr sie aufstellen?«, fragte ich. Schon meine Stimme machte mich zum Spielverderber. Und worüber machte ich mir eigentlich Sorgen? Wir hatten doch schon einen Hund im Zimmer. Warum nicht einen Hund und ein Feuer?
    »Draußen«, antwortete Inez.
    »Wo draußen?«
    »Einfach draußen. Direkt vor dem Wohnheim. Dann sieht es endlich mal freundlicher aus.«
    Ich fing Gretchens Blick auf. Sie schaute mich an,

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