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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Art, wie er es sagte, überraschte sie so sehr, dass sie sich wieder zu ihm umdrehte. Er saß kerzengerade da und machte ein feierliches Gesicht. »Ich bin dir nie untreu gewesen, und ich werde dir nie untreu sein.« Er klang sehr müde, als riefe er sich Jahre größter Selbstaufopferung in Erinnerung. »Und ich liebe unsere Familie. Ich liebe die Mädchen. Wir haben ein schönes Zuhause. Wenn wir jetzt ein bisschen sparsam sind«, er machte seine Hände zu Schaufeln und legte sie über die Länge des Tisches, »können wir diese schlechte Zeit überstehen und einen angenehmen Ruhestand genießen.«
    Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass er mit »schlechte Zeit« die Tatsache meinte, dass sie durch Elises Studiengebühren, ihre Hochzeit, die Pflegeheime und die fallenden Aktien finanziell angeschlagen waren - nicht die »schlechte Zeit« in ihrer Ehe, die ihm anscheinend gar nicht so schlecht vorkam.
    Und gleich darauf machte sie etwas Merkwürdiges. Sie tat so, sogar vor sich selbst, als hätte sie das überhaupt nicht begriffen. Sie tat so, als hätte sie ein Versprechen auf Verbesserung gehört, auf eine Zukunft mit Gesprächen, in denen er sie wirklich ansah, wenn sie redete, und sich für das, was sie sagte, interessierte. All das redete sie sich ein, weil es dann für sie beide nicht mehr so seltsam war, aufzustehen und den Rest der Einkäufe wegzuräumen; für ihn, am Laptop zu sitzen und zu arbeiten, und für sie, mit Bowzer spazieren zu gehen. Denn mal ehrlich, was sollte sie schon sonst tun?
    Sie musste pragmatisch sein.
    Als sie das nächste Mal im Supermarkt war, ertappte sie sich dabei, wie sie einen Blick auf die Klatschmagazine vor der Kasse warf. Ihr Gefühl von Überlegenheit hielt nur kurz an. Prominente ließen sich ständig scheiden, um gleich darauf wieder zu heiraten, aber nicht unbedingt, weil sie oberflächlich oder sprunghaft oder schnell bereit waren, das Handtuch zu werfen, wie sie jetzt erkannte.
    Sie ließen sich scheiden, weil sie es sich leisten konnten.
    Wer weiß, wie lange sie noch so weitergemacht hätte, wenn Greg Liddiard nicht gewesen wäre? Ein ganzes Jahr war verstrichen zwischen dem Morgen dieses ernsten Gesprächs mit Dan und dem Tag, an dem mit den Arbeiten am Dach begonnen wurde. Und eine Woche lang hatten Greg Liddiard und ein anderer Mann gesägt, gehämmert und Dachschindeln gelockert, ohne ihr viel Beachtung zu schenken. Es war Sommer, deshalb übernahm sie keine Vertretungen, und bei DeBeck's hatte sie nicht viele Arbeitsstunden bekommen. Deshalb war sie meistens zu Hause, bezahlte Rechnungen und arbeitete im Garten. Sie ging die abgelegte Kleidung der Mädchen durch, um zu sehen, was sie spenden könnte. An einem Nachmittag legte sie Musik von Neil Young auf, und als sie später nach draußen ging, um nach der Post zu schauen, rief ihr der ältere und kleinere der zwei Dachdecker - Greg Liddiard, wie sich später herausstellen sollte - etwas zu, um sich für die Musik zu bedanken. Er sagte, er könne sie oben auf dem Dach hören und ihm gefiele ihr Geschmack. Doch sie nickte nur und lächelte. Sie war nicht auf Abenteuer aus gewesen.
    Am nächsten Tag erklärten die beiden Arbeiter, dass sie ins Haus müssten, um die Stützbalken auf dem Dachboden zu überprüfen. Auf dem Weg dorthin kamen sie an dem Bücherregal am Ende des Flurs vorbei. Der andere Mann ging einfach daran vorbei zu der Leiter, die Natalie gerade heruntergeklappt hatte, aber Greg Liddiard blieb stehen, um sie auf die Bücher anzusprechen. Auf dem College habe er im Hauptfach Literatur gehabt, erzählte er. Er habe sogar seinen Master gemacht und eine Arbeit über Nabokov geschrieben. Ob ihr Nabokov gefalle? Sie trug eines ihrer knappen Tank-Tops, und als sie ihn anschaute, während er sie anschaute, wurde sie sich auf einmal ihrer nackten Arme bewusst. Er hatte ein freundliches Gesicht. Und er hörte zu, wenn sie redete.
    Und mehr war nicht erforderlich. Greg Liddiard hätte alles Mögliche über Lyrik sagen können. Er hätte ein Idiot sein können, was er aber nicht war. Sie war dermaßen ausgehungert nach zwischenmenschlichen Kontakten - sogar nach echtem Blickkontakt. Sie stand vor dem Fenster am Ende des Flurs, und die Nachmittagssonne schien so warm, dass sich ihre Haut heiß anfühlte und sie ein Stück weggehen musste. Als sie sich später, nachdem Greg Liddiard an ihr vorbeigegangen war, umdrehte und in den Himmel schaute, stellte sie fest, dass er bewölkt war.
    Nur ein einziges

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