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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Zack, bumm, erledigt.«
    »An Heiligabend?«
    Er warf seine Hände in die Luft. »Entweder Heiligabend oder am ersten Weihnachtsfeiertag, Süße. Danach ist Elise wieder weg.« Er hob beide Schalen auf und trug sie zur Anrichte. »Ich versuche nur, sie in euren engen Terminplänen unterzubringen.«
    An diesem Abend blieb ich lange auf, obwohl ich weder las noch fernsah. Ich saß in dem dunklen Wohnzimmer, in eine Decke gewickelt, weil sich die Ledercouch kalt anfühlte. Die Zentralheizung sprang surrend an. Mitten auf dem Tisch stand ein Weihnachtsstern, ein Geschenk von der Sekretärin meines Vaters. Meine Mutter würde Heiligabend allein sein, während Elise und ich mit unserem Vater und Susan O'Dell zu Abend essen würden.
    Vielleicht würde sich meine Mutter ja gar nicht besonders aufregen, selbst wenn sie von der Freundin meines Vaters erfuhr. Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass sie den Abend damit verbringen würde, sich Judy Garland anzuhören und in ihr Kissen zu schluchzen, aber wahrscheinlicher war, dass sie die Zeit nutzen würde, um ihre neue Wohnung herzurichten. Oder um zu lesen, mit Bowzer an ihrer Seite. Wie auch immer, dass Susan O'Dell am Tisch meines Vaters saß, würde nichts an ihrem Abend ändern. Meine Eltern flogen in verschiedene Richtungen. Ihre Flugbahnen berührten einander nicht mehr. Und ich brauchte meine Mutter nicht zu bemitleiden oder ihretwegen wütend zu sein, weil nicht einmal sie selbst noch wütend zu sein schien.
    Ich wollte gerade zu Bett gehen, als Tim anrief. Er war im Haus seiner Eltern in Chicago und als Einziger noch wach. Oben war alles voll mit Geschwistern, Schwägerinnen und Schwagern und anderen Verwandten. In seinem Zimmer schliefen zwei seiner Neffen in Schlafsäcken auf dem Boden. Er rief von einer Ecke im Keller aus an, zwischen alten Koffern seiner Eltern und leeren Weihnachtsschmuckkartons, weil es der einzige Platz im Haus war, wo er allein sein konnte. Seine Stimme war unverbindlich, er war kurz angebunden. Er sagte, er habe mir nur frohe Weihnachten wünschen wollen. Das sei alles. Aber ich setzte mich kerzengerade auf und presste das Telefon an mein Ohr. Es war noch nicht Weihnachten, und es war spät in der Nacht.
    »Wie geht es deiner Familie?«, fragte ich.
    »Gut. Geht so. Mein kleiner Bruder nervt zurzeit ziemlich. Er hat angefangen zu rauchen und macht einen auf James Dean. Eine meiner Schwägerinnen hat sich über ihn lustig gemacht, und da ist er sauer geworden und in die Nacht hinausgestürmt. Meine Mutter hat geweint. Ein Familiendrama.«
    »Oh«, sagte ich überrascht. Ich stellte mir Tims Familie gern so vor, als wären sie einem Bild von Norman Rockwell entsprungen - nur dass sie statt Overalls und geblümten Kleidern teure, geschmackvolle Kleidung trugen. Aber natürlich musste es bei so vielen Leuten im Haus gelegentlich auch echte Probleme geben.
    »Und wie geht's deiner Familie?«, fragte er.
    »Ganz gut.« Die Zentralheizung hatte sich abgeschaltet. In der Wohnung war es jetzt ganz still. »Sie ist nur ein bisschen auseinandergeraten.« Ich seufzte und musste dann doch lachen. Für ein kurzes Gespräch gab es viel zu viel zu sagen. Wenn er mir wirklich nur frohe Weihnachten wünschen wollte, würde er jetzt irgendwann sagen, dass er aufhören müsse.
    »Du fehlst mir«, sagte ich.
    Eine lange Pause entstand. Keiner von uns sagte etwas. Ich legte nicht auf - und er auch nicht.
    Zwei Tage vor Weihnachten lud mich meine Mutter zu sich nach Hause ein. Ihre neue Wohnung war weniger als eine Meile von ihrer alten entfernt und lag ein bisschen näher am Einkaufszentrum. Der ganze Komplex war grün mit weißen Fensterläden und schmiegte sich an einen Abhang. Um in die Wohnung meiner Mutter zu kommen - die der Vermieter als ebenerdig bezeichnete -, musste man erst mal fünf Stufen hinuntergehen. Gleich hinter der Tür befand sich ein großes, mit braunem Teppichboden ausgelegtes Zimmer, das an der Rückwand statt Fenstern Schiebetüren aus Glas hatte. Elises Tagesdecke mit der Lochstickerei hing über der Vorhangstange. Auf der Anrichte stand eine Schale mit Tannenzapfen. Meine Mutter hatte neben der Schiebetür einen Nagel in die Wand geschlagen - ein rudimentärer Haken für Bowzers Leine. »Wenn wir hier rausgehen, muss er sich nicht mit der Treppe abplagen.« Sie starrte durch die Glastür auf den kleinen, vereisten Garten und die Kiefern dahinter, die den Lärm von der Autobahn dämpften. »Wirklich, es ist perfekt«, versicherte

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