Weil wir glücklich waren - Roman
sie.
Sie hatte bis auf die Lampe meiner Großmutter und eine Doppelbettmatratze, die sie bei einem Trödler gefunden hatte, immer noch keine Möbel. Haylies Mutter hatte ihr geholfen, die Matratze in den Van zu stopfen und dann die Stufen hinunter ins Apartment und schließlich um die Ecke herum in das kleine, quadratische Schlafzimmer hinter dem Wohnraum zu tragen. Die Beleuchtung in ihrem Schlafzimmer kam von einer Deckenlampe aus Milchglas, von der meine Mutter behauptete, sie sei zur Hälfte voller toter Fliegen gewesen, als sie eingezogen war. »Ekelhaft«, sagte sie und zeigte auf den Lampenschirm, der jetzt sauber und klar war. »Nachdem ich sie abgenommen und saubergemacht hatte, war es hier drinnen gleich viel heller.« Sie verzog das Gesicht und schauderte. »Ich frage mich, wer früher hier gewohnt hat. Ich meine, wer lässt es zu, dass sich so viele toten Fliegen ansammeln?«
Ich sagte nichts. Angeblich hatte sie tagelang geputzt und die Wohnung in Ordnung gebracht. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es hier vorher ausgesehen hatte. Vielleicht waren die Fliegen Haustiere gewesen, dachte ich. Vielleicht waren sie damals noch gar nicht tot, sondern ältere Fliegen, von denen sich der vorige Mieter einfach nicht trennen konnte. Warum sonst hätte jemand hier leben sollen? Bowzer schlief auf der Matratze, die meine Mutter ordentlich hergerichtet hatte, den überhängenden Stoff der Tagesdecke auf dem Teppich aufgefächert. Ich bückte mich und kraulte die Stelle zwischen seinen Ohren. Seine Lider flatterten, aber das war alles. Er war auch nicht aufgestanden, als ich in die Wohnung gekommen war.
»Was meinst du?«, fragte sie.
An ihrer Stimme merkte ich, dass sie nicht von der Wohnung sprach. Ich ließ meine Hand auf Bowzers Kopf liegen und hob die Schultern. Sie hatte schon so viel für ihn getan, indem sie in diese dunkle, feuchte Bude zog, in der es nach Katzenpisse roch. Ich wusste nicht, was für einen Mietvertrag sie unterschrieben hatte, aber ich dachte mir, da sie nun schon einmal hier war, konnte sie den Hund genauso gut behalten.
»Er liegt seit zwei Tagen nur noch so da«, seufzte sie und strich ihr Haar zurück. Sie war für die Arbeit im Einkaufszentrum gekleidet und trug eine schicke, schwarze Hose und einen schwarzen Pulli. Ihre Ohrringe sahen wie kleine Zuckerstangen aus. »Ich habe gestern den Tierarzt angerufen. Er hat gesagt, ich soll Bowzer noch mal zu ihm bringen, damit wir über alles reden können. Andere Medikamente vielleicht.« Ihre Knie knacksten, als sie sich auf den Boden kauerte. »Ich weiß nicht. Er isst noch, aber heute Morgen musste ich ihn nach Hause tragen. Letzte Woche war er noch nicht so schlecht dran.«
Ich strich mit meiner Hand über das weiche Rückenfell des Hundes. Sein Atem ging flach und schnell. Ich wusste nicht, was meine Mutter tun würde, wenn er starb, wie sie es verkraften würde. Wegen einer seltsamen Bindung an ihn oder das, was er repräsentierte, hatte sie so viel aufgegeben. Und jetzt würde er sie verlassen. Es war nicht fair. An dem Abend, als Tim angerufen hatte, hatten wir fast eine Stunde lang telefoniert, ernste Gespräche geführt und dann Witze gemacht. Seit damals trug ich in meinem Inneren ein gutes Gefühl - wie ein Schmuckstück, das in einer Tasche versteckt war. Ich hatte noch Perspektiven. Aber was hatte meine Mutter? Einen sterbenden Hund in einer deprimierenden Wohnung. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Ich will nicht, dass er leidet.« Ihr Blick ruhte immer noch auf Bowzer. »Der Tierarzt hat gesagt, dass seine Praxis am Tag nach Weihnachten geöffnet hat. Dann bringe ich ihn hin.«
»Ich komme mit«, bot ich an. »Falls du es willst. Wenn du ihn hinbringst, meine ich.« Ich machte eine vage Handbewegung. »Egal, wann.«
Sie fuhr mich zu meinem Vater zurück, bevor es dunkel wurde. Während sie den Van langsam durch die leicht vereisten Straßen lenkte, war sie ein bisschen zerstreut. Sie fragte mich, ob ich mein Zeugnis schon bekommen hätte.
»Nein«, erwiderte ich.
Sie fragte, wann ich die Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium machen würde.
»Gar nicht«, antwortete ich.
Zuerst dachte sie, das wäre ein Scherz. Doch als sie dann begriff, dass ich es ernst meinte, dass ich in Organischer Chemie wirklich durchgefallen war und dass ich beschlossen hatte, als neues Hauptfach Englische Literatur zu nehmen, schwieg sie und schaute auf die Straße. Ihre Lippen waren nach innen gerollt und nicht zu sehen. Wir
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