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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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an, dass die Mädchen, die jeden Tag mit ihrem Freund beim Lunch zusammensaßen, die auf dem Schulhof am Arm ihres Freundes hingen, während alle anderen herumschwirrten, die Mädchen waren, die wahrscheinlich später nicht aufs College gehen würden. Ihr Horizont schien damals schon begrenzt zu sein. Wenn es das war, was sie wollten, bitte. Aber ich war anders.
    So dachte ich noch in meinem ersten Collegejahr, als ich mal mit diesem, mal mit jenem ausging. Aber dann traf ich Tim, und plötzlich war mir klar, warum einige der Mädchen auf der Highschool es nicht geschafft hatten, die Hand ihres Freundes loszulassen. Tim war einfach der Mensch, mit dem ich am liebsten redete, mit dem ich am liebsten zusammen war, den ich am liebsten anschaute. Ich hatte eine erste Ahnung, wie dumm es war, vorschnell zu urteilen und zu leugnen, dass es so etwas wie Schicksal gab, ernsthaft zu denken, ich sei diese und nicht jene Art von Mädchen, und zwar nur, weil ich glaubte, mich bewusst dafür entschieden zu haben.
    Es war fast Mitternacht, als ich in mein Zimmer ging. Die Halle war leer, alle meine Erstsemester anscheinend im Bett. Jemand hatte »DU BIST NIE DA. DU DÜRFTEST DIESEN JOB NICHT HABEN!« auf mein Nachrichtenbrett geschrieben. Ich wischte es mit dem Ärmel meines Pullovers ab und steckte, das Walkie-Talkie zwischen den Knien, den Schlüssel ins Schloss.
    Das Zimmer, das ich dieses Jahr hatte, sah ein bisschen trostlos aus. Als ich im ersten Collegejahr ins Wohnheim gezogen war, hatte mir meine Mutter eine neue, weiße Überdecke für das Bett und eine kleine, weiße Schreibtischlampe gekauft. Mit Weiß, sagte sie zu mir, ginge man auf Nummer sicher, egal, was meine Mitbewohnerin mitbringen würde. Und das hatte sich bis zu einem gewissen Grad bewahrheitet. Meine Mitbewohnerin im ersten Jahr, ein Mädchen aus St. Louis, das Schauspiel im Hauptfach hatte, hatte voller Stolz eine gesamte Ausstattung im Kuhfleckmuster angeschleppt. Alles - Bettdecke, Kissen, Vorhänge, sogar ein kleiner Bettvorleger - war weiß mit schwarzen Flecken, wie eine Holsteiner Kuh.
    Als meine Mutter zum ersten Mal zu Besuch kam, amüsierte sie sich darüber. »Findest du das nicht ein bisschen zu unkuuuuuhl?«, fragte sie. Sie stand in meiner Hälfte des Zimmers, die Hände tief in den Taschen ihres Regenmantels vergraben, als hätte sie Angst, etwas mit Kuhflecken zu berühren. Meine Mitbewohnerin war gerade bei einer Theaterprobe.
    »Versuch einfach, dich damit abzufinden«, empfahl mir meine Mutter. »Manchmal geht es eben nicht anders.« Sie schaute sich im Zimmer um und lächelte. »Betrachte es als neue Erfahrung. Du weißt schon: den Rahm von der Milch abschöpfen und so.«
    Dieses Jahr hatte ich ein Zimmer für mich allein, und es gab keine Kuhmuster, die ich hinnehmen musste. Aber ich hatte weder die Zeit noch die Energie, mein Zimmer irgendwie zu gestalten. Ich hatte ein Poster mit dem Periodensystem der Elemente an eine Wand gehängt, damit ich es anstarren konnte, während ich mir die Haare föhnte. Und ich hatte einen Kalender an meine Pinnwand gehängt, gleich neben ein Foto von Tim, auf dem er vor seiner Wohnung einen Kopfstand machte. Aber das war auch schon alles an Wanddekoration. Ich hatte immer noch die weiße Überdecke, und ich legte ein weißes Laken über die Matratze auf dem zweiten Bett. Als der Herbst anfing, ich noch die Fenster offen hatte und die Sonne hell auf den Linoleumboden schien, sah es noch ganz okay aus. Aber an grauen Tagen und nachts wirkte mein Zimmer kahl und trist.
    Sobald ich meine Bücher abgelegt hatte, überprüfte ich mein Handy und stellte erfreut fest, dass Tim zweimal angerufen hatte.
    Er gähnte, als er abhob. »Guten Abend«, sagte er. »Oder guten Morgen. Wie spät ist es?«
    »Spät. Entschuldige, ich hatte mein Handy nicht dabei. Habe ich dich geweckt?«
    »Nein.« Er aß etwas Knuspriges. »Wir schauen uns gerade El corazón verdadero an. Du versäumst was. Lorenzo findet gerade heraus, wer sein richtiger Vater ist.«
    Ich seufzte neidvoll. Tims Studienfach war berüchtigt dafür, sehr schwierig zu sein, aber darauf wäre man angesichts der vielen Freizeit, die Tim zu haben schien, von selbst nie gekommen. Er lebte in einer Wohnung außerhalb des Campus, und er schaffte es, regelmäßig in den Supermarkt und in den Waschsalon zu gehen. Er ging jeden Morgen joggen. Wenn das Wetter gut war, spielte er mit seinen Freunden Kickball. Er und sein Mitbewohner schauten sich im Fernsehen sowohl

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