Weil wir glücklich waren - Roman
Dokumentationen über den amerikanischen Bürgerkrieg als auch schlechte Doku-Soaps an. Die spanischen Serien sahen sie so oft, dass sie tatsächlich ein paar Brocken Spanisch lernten. Und trotzdem war Tim vor Kurzem zu einem Dinner im Alumni-Center eingeladen worden, weil er wieder den bestmöglichen Notendurchschnitt erreicht hatte. Er hätte mir das nie erzählt, aber es wurde beim Dinner erwähnt, und er hatte mich als Gast mitgenommen.
»Heute Nacht gibt es einen Serien-Marathon«, sagte er. Im Hintergrund konnte ich dramatische lateinamerikanische Musik hören. »Du solltest herkommen.«
»›No puedo«, entgegnete ich.
»He, he!« Ich hatte seine Aufmerksamkeit. »Im Ernst. Kein Fernsehen. Ich schalte den Apparat ab. Aber kannst du nicht herkommen? Ich könnte dich gleich abholen. Pack einfach deine Zahnbürste ein. In zehn Minuten bin ich da.«
»Ich habe Dienst.« Das Bedauern in meiner Stimme war echt. Es machte mir Spaß, mit ihm auf seiner großen Couch zu sitzen, den Kopf an seine Schulter gelehnt, und spanische Fernsehserien anzuschauen. Morgens ging sein Mitbewohner dann manchmal Donuts kaufen.
»Dieser Job«, sagte er. »Dieser Babysitterjob, den du da hast.«
Ich ließ mich aufs Bett fallen, das Handy zwischen Schulter und Hals geklemmt. »Du könntest zu mir kommen.«
Ich wusste, dass er es nicht tun würde. Er war nicht gern im Wohnheim. Da gab es den Sicherheits-Check-in, den man umgehen musste, und dazu die durchaus reale Möglichkeit eines nächtlichen Feueralarms. Und wenn er mitten in der Nacht pinkeln musste, hatte er bis zum nächsten Männerklo einen langen Weg und eine Treppe vor sich.
»Morgen Abend?«
Ich schaute auf dem Kalender, der neben seinem Foto an der Pinnwand hing, nach. Auf dem Donnerstag klebte genauso wie auf dem Mittwoch ein Sticker mit einem traurigen Gesicht.
»Hab ich wieder Dienst.«
»Du weißt, dass ich am Freitag wegfahre?«
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Ich kann nicht.«
»Aber du könntest mit mir nach Chicago kommen.« Seine Stimme war jetzt leiser. Er hatte den Fernseher abgeschaltet, oder vielleicht war er auch nur ein paar Schritte weggegangen. »Du müsstest nicht beim Dinner dabei sein. Du könntest einfach mit mir hinfahren. Ich würde dir die Stadt zeigen, und wenn ich bei dem Essen bin, könntest du ins Kino gehen oder so. Oder lernen. Ich meine, du bist zu dem Dinner eingeladen, aber wenn du nicht hinwillst ...«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht will. Ich habe gesagt, ich würde mir komisch vorkommen.« Ich setzte mich auf und schob meine Haare über meine Schultern nach hinten. »Ich meine, es ist eine ganz große Sache. Bestimmt wollen sie nur die Familie dabeihaben.«
»So eine große Sache ist es nun auch wieder nicht.«
»Fünfzig Jahre verheiratet zu sein?«
»Das schaffen viele Leute. Meine Großeltern sind bloß scharf auf Geschenke. Und Zuwendung. Sie wollen ständig Zuwendung, die beiden.«
»Mhm.« Ich lächelte. Tim hatte in seinem Zimmer ein Foto seiner Großeltern. Sie saßen beide im Rollstuhl und hielten Händchen. »Und was schenkst du ihnen?«
»Ich wollte unterwegs etwas besorgen. Was schenkt man zum fünfzigsten Hochzeitstag? Ich meine, es ist die goldene Hochzeit, stimmt's? Aber was schenkt man, wenn man jung und knapp bei Kasse ist? Sweatshirts im Partnerlook? Ich habe keine Ahnung.«
Ich griff in das oberste Fach meines Schrankes und holte den Plastikbehälter herunter, in dem meine Zahnbürste, Zahnpasta und Seife waren. »Deshalb willst du also, dass ich mitkomme. Du willst, dass ich ein Geschenk aussuche.«
»Ich will, dass du mitkommst, weil ich mir wünsche, dass alle dich kennenlernen.«
Ich schwieg und schaute aus meinem dunklen Fenster. Ich war so hoch oben. Wenn es wirklich einmal brannte, würde ich vielleicht nicht herauskommen.
»Na? Wie sieht's aus?«
Ich war noch nie in Chicago. Und er würde mich wahrscheinlich fahren lassen, zumindest einen Teil der Strecke. Aber ich konnte nicht mitfahren, weil ich lernen musste. Und dieses Wochenende würde ich Jimmy Liffs Auto haben: Ich konnte fahren, so oft ich wollte und wohin ich wollte.
Tim nahm meine Absage nicht sehr gut auf.
»Du hütest für diesen Sicherheits-Typen das Haus? Der Kerl, der früher diese blöden Kontaktlinsen getragen hat, mit denen seine Augen wie die einer Katze ausgesehen haben?«
Ich runzelte die Stirn. Die Kontaktlinsen hatte ich vergessen. »Ja. Aber das tut nichts zur Sache. Er ist am Wochenende nicht
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