Weil wir glücklich waren - Roman
baute ich doch immer noch Mist. Ich konnte einfach nicht damit aufhören. Es war nicht aufzuhalten, wie ein freier Fall.
Er sagte, er würde unten warten.
Marley trug es mit Fassung, aber ich hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen. Als ich den Flur hinunterrannte, rief ich ihr über die Schulter zu, dass es mir leidtäte und dass wir - falls sie warten wolle - zusammen essen gehen könnten, wenn ich zurückkam.
Gordon Goodmans Büro war gleich neben der Lobby und verfügte über ein Innenfenster, das ihm eine freie Sicht auf die Anmeldung und die Eingangstüren ermöglichte. Aber jetzt hatte er die Jalousien heruntergezogen, und für mich gab es nichts, wohin ich hätte gucken können, nichts zu sehen außer seinem enttäuschten Gesicht. Gordon war es gewesen, der mich eingestellt hatte. Das Bewerbungsgespräch hatte er persönlich geführt.
»Ich muss gestehen, ich mache mir Sorgen.« Er lehnte sich in seinem knarrenden Sessel zurück. »Es ist Dezember, und das Semester ist in ein paar Wochen vorbei. Bis jetzt hast du für dein Stockwerk noch nicht ein einziges Programm auf die Beine gestellt.« Er kratzte sich den grauen Bart und schnitt eine Grimasse. »Und es gibt Beschwerden darüber, dass du nie da bist. Oder jedenfalls nie Zeit hast.«
Ich nickte und kaute so geräuschlos wie möglich meinen Glückskeks. Er bot jedem, der in sein Büro kam, Glückskekse an. Heute stand auf meinem Zettel: »Weise lernen mehr von Narren als Narren von Weisen.«
»Es tut mir leid«, entschuldigte ich mich und schluckte. »Ich weiß, ich hätte es besser machen müssen. Aber ich habe wirklich viel Stoff zu lernen.«
Er trommelte mit seinen Fingern auf die Tischplatte und runzelte die Stirn. Die Schüssel mit den Glückskeksen war handgemacht. Sie hatte einen gewellten Rand und schwarze und grüne Streifen. Eine von Gordons mittlerweile erwachsenen Töchtern war Töpferin irgendwo in Texas. Überall in seinem Büro standen getöpferte Sachen herum. Das Meiste waren glasierte Schalen und Becher, aber auch ein Taschentuchbehälter und zwei Buchstützen waren darunter.
Er stemmte seine Ellbogen auf den Schreibtisch. »Du machst Pre Med, stimmt's?«
Ich nickte lächelnd, während ich darauf wartete, dass er zurücklächelte. Wenn ich jemandem - vor allem älteren Leuten und da insbesondere älteren Männern - erzählte, dass ich Medizin studieren wollte, rief das normalerweise respektvolle und anerkennende Blicke hervor. Doch Gordon runzelte weiter die Stirn.
»Ich habe bestimmt Verständnis dafür.« Er betrachtete seine Bücherregale, die zwei volle Wände seines Büros vom Boden bis zur Decke einnahmen. Obwohl die Keramik unverkennbar im Vormarsch war, waren die Regale noch hauptsächlich Büchern vorbehalten - Romane, Sachbücher, Lexika und Enzyklopädien sowie Lehrbücher jeder Fachrichtung. »Ich habe Jura studiert und kann mich noch gut an den Druck erinnern.«
»Sie haben Jura studiert?« Ich wollte gern das Thema wechseln.
Er nickte. Sein Blick wanderte durch das Zimmer.
»Aber warum sind Sie dann ...« Ich brach ab, weil ich nicht unhöflich sein wollte. Heimleiter zu sein war kein schlechter Job, nahm ich an. Ich hatte ihn noch nie anders als in Sweatshirt und Jeans oder T-Shirt und Shorts gesehen - je nachdem, wie das Wetter war und ob er schon sein morgendliches Joggen hinter sich hatte. Das war wohl einer der Vorzüge des Jobs: Praktisch war jeder Tag ein Freitag. Er hatte seine eigene Wohnung im Studentenwohnheim, mit einem privaten Eingang. Ich hatte gehört, dass sie ganz hübsch sei - dafür, dass sie sich in einem Studentenwohnheim befand. Ein Nachteil war natürlich, dass all seine Angestellten Studenten waren - und dass er an den Sonntagabenden Leistungsbewertungen machen musste.
Er zuckte die Achseln. »Ich war einfach nicht gern Anwalt. Ich dachte, ich würde es irgendwann schon noch mögen, aber es hat mir nie gefallen. Eines Tages kam ich dann einfach nach Hause und sagte, dass ich damit aufhören würde.«
»Aha«, sagte ich und überlegte, welche Reaktion meinerseits das Gespräch weiter in diese Richtung lenken könnte. »Wow«, staunte ich. »Total verrückt!«
Er nickte. »Genau das hat meine Exfrau auch gesagt. Nur dass sie ein bisschen wütender war. Sie hatte mir das Jurastudium ermöglicht.« Er wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, als wollte er die Worte verschwinden lassen. »Entschuldige«, fügte er schnell hinzu. »Das war zu viel Information. Ist ja nicht deine
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