Weil wir glücklich waren - Roman
Fixierung auf mich war beunruhigend. Noch vor wenigen Tagen hatte er geglaubt, mein Name sei Valerie. Jetzt kam ihm sogar mein Nachname leicht über die Lippen.
»Wie bist du heute Morgen zum Unterricht gekommen?« Seine Stimme klang freundlich, aber er bohrte mir zwei Finger ziemlich fest in die Schulter. »Bist du bei dem Regen den ganzen Weg zu Fuß gegangen?«
»Ich habe den Bus genommen«, erklärte ich. Um mein Gleichgewicht zu halten, setzte ich einen Fuß auf die erste Stufe. Jimmy stand immer noch unter dem Vordach, ich nicht. Regen tropfte auf meinen Kopf und meine Schultern.
»Aha. Du Glückspilz.« Er starrte mir unverwandt in die Augen. Der Bereich um seinen Nasenring war eindeutig entzündet. Die Haut sah rot und geschwollen aus und schob sich über die Ränder des Ringes. »Dahin, wo wir wohnen, fährt kein Bus. Die nächste Haltestelle ist ungefähr eine Meile entfernt. Wusstest du das?«
Noch einmal schaute ich über die Schulter. Immer noch kein Bus. Als ich mich wieder umdrehte, schien er sich keinen Millimeter bewegt zu haben. Sogar seine Augen waren ganz starr.
»Hast du dir vielleicht Gedanken darüber gemacht, wie ich heute Morgen zum Unterricht komme?« Er brüllte nicht; seine Stimme war immer noch sehr ruhig. »Oder Simone? Hast du an sie gedacht? Hast du an irgendjemanden außer an dich selbst gedacht? Nein? Kein Interesse? Na schön, ich sag dir jetzt was.« Ein paar Sekunden lang schwieg er und beobachtete mich nur. Anscheinend musste er nicht einmal blinzeln. »Ich musste einen Freund anrufen, jemanden, der nichts damit zu tun hat, dass mein Auto kaputt ist. Weil du nicht an dein Handy gegangen bist. Hast du es heute Morgen vielleicht nicht gehört? Schön ausgeschlafen?«
Er zog seine Augenbrauen hoch und wartete. Regen lief über meine Stirn und tropfte in meine Augen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich mich lieber nicht bewegen sollte, um die Tropfen wegzuwischen.
»Oder hast du dir einfach gedacht, dass es nicht dein Problem ist?«
Ich wandte mich zum Gehen, doch er stellte sich mir in den Weg.
»Wie, glaubst du, sollen Simone und ich nach Hause kommen? Bei dem Regen zu Fuß gehen? Versuchen, ein Taxi zu erwischen? Weißt du was? Wenn ich ein Taxi nehmen muss, wirst du dafür zahlen. Wir setzen es mit auf deine Rechnung. Du magst nicht ans Telefon gehen? Fein. Aber das kostet dich was. Und lass dir eines gesagt sein ... du wirst zahlen!«
Ich schaute ihm in die Augen und suchte nach einem Funken von Verständnis. Klar, dass er wegen der Party sauer war. Das wäre jeder. Und möglicherweise fehlten tatsächlich ein paar CDs. Aber selbst wenn CDs im Wert von dreihundert Dollar verschwunden sein sollten, war es nur schwer zu verstehen, warum er mich so böse anstarrte, warum er so erpicht darauf war, mich dafür büßen zu lassen. Ich dachte an sein Haus, sein Auto. Dreihundert Dollar plus Taxigeld war für mich eine Menge Geld, aber für ihn konnte es nicht viel sein.
»Jimmy«, erklärte ich erneut. »Ich habe kein Geld.« Wie zum Beweis breitete ich meine Hände aus. »Ich würde euch selbst fahren, wenn ich könnte. Aber ich habe leider kein Auto.«
Er schlug seine Hände so kräftig zusammen, dass es einen leisen Knall erzeugte, der an der Betonwand hinter ihm widerhallte. Aber seine Stimme war immer noch leise und ruhig. »Ach so. Du glaubst also, das geht dich alles nichts an. Ich schätze, es ist nicht dein Scheißproblem, dass ich nicht zum Unterricht und wieder nach Hause komme, weil mein Wagen noch drei Tage in der Werkstatt steht.«
Jetzt lächelte er, aber seine Stimme wurde lauter. Passanten drehten sich nach uns um, warfen einen Blick auf mein Gesicht - und schauten weg. Es gab nichts, was ich hätte sagen können, und keinen Ort, wo ich hätte hingehen können. Wenn ich ging, würde er mir folgen.
»Soll ich vielleicht zu Hause bleiben, bis das Auto repariert ist, und all meine Kurse versäumen? Hört sich das für dich fair an?«
Ich schluckte. Da hatte er recht. Ich hatte sein Auto kaputt gefahren. Seine Logik war nicht ganz abwegig. Ich schüttelte den Kopf. Schon wieder. Schon wieder machte ich dasselbe wie bei Elise und meinem Vater: Ich versuchte den Standpunkt des anderen zu verstehen, statt meinen eigenen zu verteidigen. Das war mir bewusst, aber trotzdem suchte ein Teil meines Gehirns immer noch nach einer Möglichkeit, es wiedergutzumachen. Ich hätte meine Mutter anrufen und sie bitten können, mir den Van zu leihen. Doch sie war
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