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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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weggegangen, um in der Bibliothek oder einem Café Stellenangebote zu lesen, es warm zu haben und mir nicht im Weg zu sein. Und dort konnte ich sie auch nicht erreichen - Jimmy hatte immer noch ihr Handy.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, gestand ich.
    Er seufzte. Er sah aus, als täte ich ihm wirklich leid.
    »Besonders clever bist du nicht, stimmt's, Veronica?« Er schüttelte den Kopf und beantwortete sich die Frage selbst. »Was Bücher angeht vielleicht. Beim Lernen kommst du gut zurecht. Aber nicht in der Realität, oder? Muss ich es dir laut vorsagen?«
    Obwohl ich wusste, dass es falsch von mir war, fand ich, auch das war ein Punkt für ihn.
    »Mein letzter Kurs hört um eins auf«, sagte er. Er sprach langsam und betonte jede Silbe, als spräche er mit einem Kleinkind. »Simones genauso. Damit bleibt dir eine ganze Stunde, um dir was einfallen zu lassen. Du kannst uns beim Brunnen abholen.« Er hob sein Kinn und fixierte mich. »Komm ja nicht zu spät!«
    Gretchen war nicht in ihrem Zimmer, ihre Autoschlüssel auch nicht. Ich dachte daran, Tim anzurufen, überlegte es mir aber schnell anders. Um halb eins rannte ich über den Parkplatz zum Speisesaal und suchte an den Tischen nach irgendjemandem, den ich auch nur entfernt kannte. Aber alle, die ich fragte, sagten, sie hätten kein Auto, oder falls doch, waren sie gerade auf dem Weg zum Unterricht, schon spät dran, der Schlüssel im Zimmer eingesperrt. Ich hatte den Verdacht, dass einige von ihnen logen, und ehrlich gesagt konnte ich es ihnen nicht verdenken. Ich konnte mir vorstellen, wie ich aussah: weit aufgerissene Augen, schwer atmend, regennasses Haar im Gesicht - nicht unbedingt die Person, der man bedenkenlos einen Autoschlüssel zuwerfen würde. Als die Aufsicht vom dritten Stock - ich wusste, dass sie zwei Sommer hintereinander als Kellnerin gearbeitet hatte, um ihren Jeep zu kaufen - wegschaute und murmelte, es täte ihr leid, dass sie mir nicht helfen könne, traute ich mich nicht mehr, noch jemanden zu fragen.
    Auf dem Weg zu meinem Zimmer lehnte ich den Kopf an die Fahrstuhlwand und schloss die Augen. Mein Herz hämmerte immer noch, aber ich konnte bereits fühlen, wie ich ruhiger wurde, der Schweiß unter meinem Pullover abkühlte und meine Haut feuchtkalt wurde. Es war wirklich eine Erleichterung, einfach aufzugeben, mir einzugestehen, dass ich nichts mehr machen konnte. Ich griff in meine Tasche und stellte mein Handy ab. Jimmy würde bald anrufen, und er würde später noch mal anrufen. Doch im Moment wollte ich nur noch schlafen. Meine Mutter war den ganzen Tag unterwegs, und ich wollte mein Zimmer für mich haben. Ich wusste, dass ich den ganzen Mist nur hinausschob, aber ich konnte nur noch daran denken, was für ein gutes Gefühl es sein würde, eine Weile allein in meinem dunklen Zimmer zu liegen und mir keine Sorgen zu machen über das, was auf mich zukam.
    Als ich die Tür aufmachte, sah ich meine Mutter und Marley neben meinem Bett auf dem Boden sitzen, zwischen sich eine große Tüte M&M's. Marley flocht meiner Mutter die Haare, und Bowzer schlief friedlich auf meinem Bett. Beide Betten waren gemacht, die Kissen aufgeklopft. Die Fenster sahen verdächtig sauber aus.
    »Oh! Veronica! Hey!« Meine Mutter blickte auf, so gut sie konnte, ohne den Kopf zu bewegen. Marley machte ihr Rattenschwänzchen, auf jeder Seite eins; der Zopf, mit dem sie schon fertig war, ringelte sich an der Spitze ein bisschen nach oben. »Was treibt sie da hinten? Ich verstehe nicht, wie sie das macht. Mein Haar ist doch stufig geschnitten.«
    »Halt still, Natalie.« Marley schüttelte den Kopf und lächelte. Sie trug wieder ihre Hausschuhe, die wie kleine Plüschschweinchen aussahen, und ein Kleid mit einem Oberteil aus Jeansstoff und einem geblümten Rock. Ihr Waldhornkoffer lag offen auf dem Gästebett, und das Instrument funkelte auf dem weichen Untergrund aus gepresstem, blauem Samt.
    Der Blick meiner Mutter ruhte auf meinen Augen. »Entschuldige, Liebes. Ich wollte gerade gehen, als deine nette Nachbarin kam und mir Musik und Schokolade anbot.« Sie zog ihre Nase kraus und warf Marley über die Schulter ein Lächeln zu. »Wie hätte ich da widerstehen können? Und sag mal, hast du sie je spielen hören?« Sie nickte in Marleys Richtung, als ob ich sonst nicht hätte erraten können, wen sie meinte. »Sie macht das wirklich toll! Noch dazu ist es eines der schwierigsten Instrumente. Wusstest du das? Irgendjemand hat es mir mal erzählt. Man würde

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