Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
befallen.“
Wie selbstverständlich sie inzwischen von „meinem Wein“ spricht.
Clarissa Goldmann wird wütend: „Wir lassen uns unser Projekt nicht zerstören.“
„Niemand will Ihnen etwas Böses, aber Sie müssen auch mich arbeiten lassen, wie ich es für richtig halte.“
„Die Natur … sie wird sich wieder rächen! Ich hätte nie gedacht, dass Sie als Frau … Wir sind die erdnäheren Wesen, Männer …“
„Tut mir Leid, die Weingärten werden gespritzt. Nicht mehr als notwendig, das kann ich Ihnen versichern.“
„Ich werde meine Kinder der Natur zurückhalten müssen.“
„Soll das eine Drohung sein?“
„Wenn es sie überkommt …“
Ich mische mich ein: „Was tun sie dann? Regenzauber veranstalten?“
„Das Wider die Natur muss zerstört werden“, donnert Clarissa Goldmann und verschwindet.
„Und was war jetzt das?“, fragt Oskar, nachdem die Tür ins Schloss gefallen ist.
Eva zuckt mit den Schultern. „Sie ist harmlos.“
Ich bin mir da gar nicht mehr so sicher. „Stammt sie eigentlich von hier?“
„Nein, nein, sie kommt von irgendwo in Oberösterreich, war eine entfernte Verwandte des letzten Besitzers des Gutshofes. Sein Vater hatte als Papierindustrieller viel Geld verdient, er, der Sohn, hat sich dann das Gut gekauft und fast alles versoffen.“
„Und der Naturfimmel?“
Der Großvater kommt in die Küche, er atmet laut aus: „Ich bin dieser Hexe begegnet.“
„Jetzt wisst ihr, wie sie im Dorf gesehen wird“, sagt Eva und lächelt. „Aber … auch bei uns gibt es inzwischen einige Esoterikfans. Die meisten ihrer Jünger kommen jedoch aus Wien. Leute, die bisher wenig mit der Natur zu tun hatten und sich jetzt plötzlich mit ausgebreiteten Armen auf den umgeackerten Boden werfen und nach der Erdmutter schreien.“
„Vielleicht deswegen“, sage ich, und sie sieht mich an, als könnte man die aus der Stadt doch nie restlos verstehen.
Ich koche die Spinatsuppe auf, binde sie mit etwas Stärke, gehe mit dem Stabmixer nur ganz kurz durch, die Blätter sollen nicht püriert, sondern nur etwas zerkleinert werden. „Schade, dass es keinen Kokosrum gibt“", sage ich und erzähle von der karibischen Version, und wo ich sie kennen gelernt habe.
„Kokosrum haben wir nicht, aber sonst eine ganze Menge“, sagt der Großvater und führt mich zum Schnapsschrank. Ich sehe interessiert die Flaschen durch, Anisschnaps, das ist einen Versuch wert. „Selbst angesetzt“, verkündet der Großvater stolz, „der hat einen ganz anderen Duft als das gekaufte Zeug.“
Ich gebe einen Schuss zur Suppe, rühre sie um, koste. Passt. Das finden die Bertholds auch, sie sind hingerissen.
Wir trinken einen kräftigen, aber klassisch ausgebauten Weißburgunder dazu. Ich wärme vorsichtig das Rollgersten-Risotto – anders als beim klassischen Risotto ist das kein Problem, Rollgerste bleibt viel länger kernig –, verdünne mit ein wenig Suppe, nehme den Topf vom Herd, rühre Butterwürfel und viel geriebenen Parmesan ein. Auf Teller verteilen, darauf die gar gezogenen Kaninchenstreifen anrichten, einen frischen Thymianzweig drüber, fertig. Martina, mit der Schnellbahn später als üblich von der Schule zurück, fragt, ob ich nicht öfter für sie kochen könnte. Bei ihnen gebe es meist nur diese Tiefkühlsachen, weil niemand Zeit habe. Ich fühle mich geschmeichelt. Und Oskar erfindet einen Namen für die Risotto-Variation: Rollotto. Wenn sogar er kreativ wird, muss doch etwas dran sein an meiner Kocherei. Wir probieren die gesamte Palette der Berthold’schen Weine durch, Oskar bestellt mehr, als er jemals trinken kann.
„Das wird mein Abschiedsgeschenk an das Partnerbüro in Frankfurt“, erklärt er, „da werde ich wohl wieder einmal mit dem Auto nach Frankfurt fahren müssen.“
Mir gibt es einen Stich. Ob die, mit der er mich betrogen hat, auch etwas vom Wein bekommt? Sie ist natürlich nach wie vor in der Anwaltskanzlei beschäftigt, Juniorpartnerin.
„Wir können den Wein schicken“, meint Eva. „Unser Händler für den Großraum Frankfurt kann ihn übernehmen, Sie brauchen ihn nur abzuholen.“
Wien ist nicht weit, trotzdem, was für ein Glück, dass wir heute nicht mehr zurückfahren müssen.
In der Nacht träume ich, ich bin mit Hans Berthold im Keller, plötzlich geht das Licht aus, nur seine blauen Augen leuchten, eine Tür wird aufgerissen, Clarissa Goldmann schwebt die steile Stiege herab und kreischt: „Die Erde hat euch wieder! Die Erde hat euch
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