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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Gespür. Wenn er glaubte, ich sei eine Gefahr für ihn, hatte er recht.
    Zum Teufel mit ihm, dachte ich. Er war zwar ein
leichterer Fall als Paul Young, aber auch nicht harmlos. Vielleicht würde ich
es schaffen, ihn mit irgendeiner Erklärung abzuspeisen, etwa daß ich die
Elektroleitungen zu prüfen hätte … vielleicht auch nicht. Bedeutend
besser, genauso rätselhaft zu verschwinden, wie ich aufgetaucht war.
    Die Herde waren groß genug, um hineinzuschlüpfen …
aber sie hatten Glastüren … und Gasdüsen im Inneren … Wo sonst?
    Ein anderer Ausgang … Es mußte einen Ausgang
für die Speisen geben. Man würde sie nicht durch diesen Gang befördern, wo es
draußen regnen konnte. Es mußte einen Weg in die Bars, die Eßsäle geben.
Notausgänge irgendwo.
    Ich eilte um zwei Ecken. Noch mehr rostfreie
Stahlmonster. Spültische wie Badewannen für den Abwasch. Vom Boden bis zur
Decke Stapel von Tabletts. Keine Ausgänge.
    Nirgends ein Versteck.
    »Sind Sie da?« rief Vernons Stimme. »He, Sie. Wo stecken
Sie?« Er war viel näher. Er klang jetzt entschlossen – und angriffslustiger.
»Kommen Sie raus da. Zeigen Sie sich.«
    Ich ging verzweifelt um die letzte mögliche Ecke in
einen kleinen Raum, der zunächst wie ein kurzer blinder Gang aussah, der
nirgends hinführte. Ich wandte mich wieder in die Richtung, aus der ich
gekommen war, und versuchte fieberhaft, mich an Elektrikerausdrücke zu
erinnern, mit denen ich um mich werfen könnte, wie unterbrochener Widerstand
und Stromkreisüberlastung und dergleichen Unsinn, da sah ich, daß eine Wand des
blinden Ganges nicht blind war.
    Eine Wand barg eine Reihe von vier kleinen
Aufzügen, jeder etwa einen Meter hoch, einen Meter breit, einen Meter tief.
Ohne Vorderfront konstruiert, gehörten sie zu dem Typ, der speziell dafür
gedacht ist, Speisen nach oben zu befördern, die in unteren Etagen gekocht
werden. Stumme Kellner hießen sie bei den Viktorianern. Neben jedem Aufzug,
Schaltknöpfe: 1, 2, 3.
    Ich zwängte mich in den nächsten Lift, drückte auf
Knopf 3 – nicht bewußt, sondern weil meine Finger ihn zuerst erwischten –
und fragte mich, was in aller Welt ich denn zu Vernon sagen würde, wenn er
jetzt erschien.
    Er erschien nicht. Ich hörte ihn noch immer, ein
bis zwei Ecken entfernt, böse rufen: »He, Sie. Antworten Sie mir«; und der
Speiseaufzug hob sich, sanft und leise, und trug mich wie ein Sandwich weit
hinauf.
    Als er anhielt, stürzte ich hastig raus und fand
mich in einem Servierbereich oben auf der Tribüne wieder. Durch breite Fenster
fiel das Tageslicht ein, und eine Reihe von Servierwagen stand vor einer Wand,
vom einen Ende bis zum anderen.
    Niemand zu sehen. Kein Laut von unten … aber
Vernon konnte das elektrische Summen des Aufzugs gehört haben und auf dem Weg
sein … er kannte jeden Winkel … er gehörte hierher. Aus dem wirren
Gedanken heraus, daß er, wenn der Aufzug wieder in der Küche landete, bevor er
sah, daß er fort war, vielleicht nicht darauf käme, daß ich ihn benutzt hatte,
drückte ich auf den Abwärtsknopf und sah ihn ebenso rasch verschwinden, wie ich
heraufgekommen war.
    Dann huschte ich aus dem Servierbereich, und zu jeder
anderen Zeit hätte ich vielleicht gelacht, denn ich befand mich auf Höhe der
Loge von Orkney Swayle. Dort, wo die Kellnerinnen das Essen herumgefahren
hatten, von dessen Herkunft ich nichts geahnt hatte.
    Ich lief nun doch: leise, aber immer noch mit fürchterlicher
Angst im Nacken. Lief an den großen Personenaufzügen vorbei, die zwar von hier
zum Erdgeschoß fuhren, aber langsam, mit blinkenden Lichtern, die ihren Weg
anzeigten und mich dadurch Vernon ausliefern konnten, der nur an der Tür zu
warten brauchte … Lief an ihnen vorbei zu Orkneys Loge, weil ich sie
kannte. Betete, daß die Tür nicht verschlossen wäre.
    Keine der Logen war verschlossen.
    Herrlich.
    Die von Orkney war mindestens die zehnte innerhalb
der verglasten Galerie, und ich erreichte sie mit einem olympischen Sprint. Ich
ging hinein und stellte mich in die Ecke, die vom Gang aus wegen des
vorspringenden Serviertresens gleich hinter der Tür nicht zu sehen war; ich
atmete flach, beinah lautlos, und konnte das geräuschvolle Pochen meines
Herzens nicht abstellen.
    Lange Zeit geschah nichts.
    Überhaupt nichts.
    Keine Stimme rief mehr: »He …«
    Kein Vernon erschien wie die Nemesis am Eingang.
    Ich konnte einfach nicht glauben, daß er aufgegeben
hatte. Ich dachte, wenn ich einen Schritt auf die Galerie

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