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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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dem Versuch?«
    »Umkommen bei dem Versuch«, sagte er düster, »das
habe ich immer als Gipfel der Unfähigkeit empfunden.«
    »Es kann auch schlicht Pech sein.«
    »In Ordnung«, meinte er. »Pech will ich gelten
lassen.«
    Wieder dehnte sich das Schweigen. Wir bogen von der
Fernstraße ab und würden bald wieder dort sein, wo ich meinen Wagen
zurückgelassen hatte.
    »Sind Sie in der Lage, nach Hause zu fahren?«
    »Ja, absolut,«
    Er sah nicht besser aus als bei unserem Aufbruch,
aber auch nicht schlechter. Noch immer grau, noch immer angespannt, und
trotzdem noch voll scheinbar endloser Reserven an Widerstandskraft.
    Ich kannte ihn seit zwei Wochen. Fünfzehn Tage, um
genau zu sein, war es her, daß wir unter dem Zelt auf Floras Party Tunnels
gebaut hatten. Mit ihm und durch ihn hatte ich von neuem in viele innere
Spiegel geschaut und lernte allmählich zu verstehen, was ich darin sah. Ich
schuldete ihm sehr viel und wußte nicht, wie ich es ihm sagen sollte.
    Ich hielt mit seinem Wagen neben meinem. Wir
stiegen beide aus. Fast verlegen standen wir da und sahen uns an. Nach soviel
Intensität schien es keinen angemessenen Abschied zu geben.
    »Ich stehe in Ihrer Schuld«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Umgekehrt.«
    Er lächelte schwach und kläglich. »Sagen wir, wir
sind quitt.«
    Er setzte sich ruhig in sein weinbeflecktes Auto,
winkte mir kurz zu, fuhr davon.
    Ich schaute ihm nach, bis er außer Sicht war. Dann
schloß ich meine Wagentür auf und fuhr zufrieden nach Hause.
     
    Die Sonne brach durch Wolken, als ich das
Cottage erreichte, das in den sattgoldenen Strahlen der Teezeit im späten
Oktober leuchtete. Ich trat in den Flur und sah dort in den wirklichen Spiegel.
Meine Haare waren stachlig und klebrig von Wein. Die Flecke überall auf meinem
Kopf und Gesicht waren violett getrocknet, schienen aber im Sonnenlicht noch
immer rot zu glühen. Meine Augen schimmerten hellgrau in einer brünierten Landschaft.
    Ich lächelte. Meine Zähne blinkten. Ich sah aus wie
ein roter Teufel. Ein blutroter Teufel aus der Tiefe des Schreckens.
    Ich war ganz plötzlich von einer Art rastlosem
Jubel erfüllt.
    Ich ging durch mein sonnenhelles Haus und rief laut:
»Emma … Emma … Emma … Emma …«, und meine Stimme warf Echos,
hallte von den Wänden wider.
    Ich rief nicht, weil sie mir fehlte. Ich wollte ihr
erzählen – ihr zurufen, damit sie verstand –, daß ich dieses eine Mal das
Gefühl hatte, getan zu haben, was ich hatte tun müssen. Daß ich kein ewiger
Feigling war. Daß ich wußte, ich hatte ihr Andenken nicht enttäuscht …
auch mich selbst nicht … und nicht die Anforderungen, die ich an mich
stellte. Sie sollte hören, daß ich mich getröstet, gestärkt und eins mit ihr
fühlte. Wenn ich von jetzt an um sie weinte, würde es wegen dem sein, was ihr
entgangen war … das ganze Leben … das ungeborene Kind … und
nicht wegen meines eigenen Verlustes, nicht aus Einsamkeit … nicht aus
Schuld.

22
     
    Tagelang trieben mir dann die Informationen bruchstückhaft
zu, wie Trümmer nach einem Schiffsuntergang.
    Hauptkommissar Wilson kam und berichtete mir, die
Polizei hätte die Lattenkiste durchsägen und Naylor und Denny in ein
Krankenhaus bringen müssen, um ihre unorthodoxen Handschellen abzubekommen. Er
wirkte herzlich amüsiert und auch zufrieden und nahm eine Flasche Wein zum
Abendessen mit.
    Sergeant Ridger kehrte mit verschrammter Stirn von
seiner Rauferei mit den Streikposten zurück und eröffnete mir, daß die
Rennbahnbars in Martineau auf der polizeilichen Liste der Whiskybeschwerden
gestanden hatten. Er sagte, am nächsten Renntag wären wir hingefahren und
hätten unsere Kneipenrunde mit Erfolg gekrönt; und ich erzählte ihm ungern, daß
die Krönung dank Mrs. Alexis schon vorher erfolgt war.
    Mrs. Alexis lud mich zum Lunch ein. Ich fuhr
hin, lachte eine Menge und erhielt obendrein den Auftrag, Wein für ihr
Restaurant auszusuchen und zu liefern. Wilfred hatte den Ruß verwunden, und den
Schornsteinfeger hatte man gefeuert.
    Gerard versorgte mich mit immer neuen Neuigkeiten,
meistens guten.
    Der Scotch in den großen Vorratstanks war auf sein
Profil untersucht worden und hatte sich als die dritte gestohlene
Tankwagenladung herausgestellt. Der Martineau- und Silver-Moondance- Scotchstammte durchweg aus der zweiten Ladung. Die erste war vermutlich verkauft
und getrunken.
    Die Firma Rannoch weigerte sich wegen des
Leitungswassers, ihren Scotch abzuholen oder

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