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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Sie hatten zunächst abgestritten, daß ihr Sohn das Unglück
verursacht haben könnte, und waren sehr erbittert gewesen wegen der
Fingerabdrücke. Sally fand, sie hätten ihr scheußliches Gör nicht
unbeaufsichtigt herumlaufen lassen dürfen und ihm beibringen sollen, daß man niemals
anderer Leute Eigentum anrührt und schon gar nicht in fremde Autos oder
Pferdetransporter steigt und herumspielt.
    »Wer hat nun recht?« fragte Flora rhetorisch mit
einem Seufzer: »Früher waren sie Freunde, und jetzt sind sie alle so hinüber –
es ist furchtbar.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Ich wünschte, wir hätten
diese Party nie gemacht. Wir werden wohl nie mehr eine geben.«
    Bis zum Donnerstag nachmittag hatte sie ihre alte Gemütsruhe
fast schon wiedererlangt; sie wußte den kriecherischen Howard bei der Hofrunde
mit liebenswürdiger Sicherheit zu nehmen, und ich erklärte ihr, daß ich, falls
sie nicht plötzlich in Panik geriete, am nächsten Tag, dem Freitag, nicht
kommen würde.
    »Mein lieber Tony, Sie sind so ein Fels gewesen,
das ahnen Sie gar nicht …« Und sie gab mir einen herzlichen Kuß auf die
Wange, als ich fuhr, und sagte, sie wollte mich bald wiedersehen.
     
    Der Freitag verlief bis zu einem gewissen Grad
wie die meisten Freitage: am Morgen besonders viel Betrieb, am frühen
Nachmittag das Vorbereiten der Bestellpakete für die Wochenendauslieferung.
Brian brachte unzähligen Kunden die Einkäufe bis an die Autotür und nahm
strahlend ihre Trinkgelder in Empfang. Mrs. Palissey steckte ihm sechs
Marsriegel zu, als sie glaubte, ich würde nicht hinsehen, und erklärte mir
fröhlich, das Coca-Cola würde knapp.
    Mrs. Chance
kam wegen ihres heimlichen Gins. Ein Weinimporteur rief an, er würde mir
fünfzig Kisten Beaujolais Nouveau für den 15. November reservieren und ob
ich noch mehr wollte. (Der 15. November bedeutet im Getränkehandel das gleiche
wie der 12. August in der Lebensmittelbranche. Das Wettrennen um den ersten
neuen Wein ist so hart wie das um die ersten Moorhühner. Ich wartete nie, bis
der Nouveau angeliefert
wurde, sondern holte ihn am 15. November in aller Frühe selbst beim Importeur
ab, um ihn, wenn ich praktisch im Morgengrauen den Laden öffnete, schon im
Schaufenster zu haben. Wenigstens hatte ich es sechs Jahre lang so gehalten. Ob
ich mir ohne Emma die Mühe machen würde, wußte ich nicht genau. Die ganze
Freude war dahin. Erst einmal abwarten.) Fünfzig Kisten reichten völlig, sagte
ich in Anbetracht der Kurzlebigkeit des Nouveau: Die beste Zeit,
ihn zu verkaufen und zu trinken, war vor Weihnachten.
    Mrs. Palissey brach kurz nach drei mit Brian
zu der besonders langen Lieferrunde auf, und irgend jemand rief in totaler
Hektik an, weil ich nur die Hälfte des bestellten Biers mitgeschickt hatte.
    »Brauchen Sie es heute abend?« fragte ich entschuldigend.
    »Nein, am Sonntag, nach dem Fußballspiel im Dorf.«
    »Ich bringe es Ihnen«, sagte ich. »Morgen früh um
neun.«
    Um es nicht zu vergessen, brachte ich das Bier
sofort durch die Hintertür zu dem Rover Kombi und fand, als ich wieder in den
Laden kam, dort einen Besucher in Gestalt des ruhigen Kriminalhauptkommissars
Wilson vor.
    »Mr. Beach«, sagte er wie beim letztenmal und
streckte die Hand aus.
    »Mr. Wilson.« Ich versuchte mein Erstaunen zu
verbergen, was mir zweifellos nicht gelang.
    »Eine Flasche Wein«, sagte er leise lächelnd. »Zum
Abendessen. Was würden Sie empfehlen?«
    Er mochte schweren Roten, sagte er, und ich bot ihm
einen hervorragenden Rioja an.
    »Spanischer?« murmelte er skeptisch, als er das Etikett sah.
    »Sehr gute Qualität«, sagte ich. »Er ist
ausgezeichnet.«
    Er sagte, er würde auf mein Wort vertrauen, und
bezahlte auf den Penny genau. Ich schlug die Flasche in Seidenpapier ein und
stellte sie auf die Theke, doch er hatte es offenbar nicht eilig, sie an sich
zu nehmen und zu gehen.
    »Ihr Stuhl …«, murmelte er. »Steht der zur
Verfügung?«
    Ich holte ihn gleich aus dem Büro, und er setzte
sich dankbar wieder hinein.
    »Eine oder zwei Fragen, Mr. Beach …«
Seine Blicke musterten ruhig mein Gesicht und schweiften dann wie abwesend im
Laden umher. »Ich hörte, daß Sie am Dienstagmorgen im Silver Moondance gewesen
sind, Mr. Beach?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Und Sie haben eine Liste der gestohlenen Ware aufgestellt?«
    »Soweit ich mich erinnern konnte, ja.«
    »Und am Montag waren sie mit Detective Sergeant
Ridger dort und haben verschiedene Whiskys und Weine

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