Weinprobe
befanden sich Regale für Sherry, Bier, Sprudelwasser, Cola und
alles, was die Leute sonst noch haben wollten.
Am Ende der Theke, in einem leichten Winkel zum
Innenraum hin, stand ein mittelgroßer Tisch mit einer hübschen, bis zum Boden
reichenden Tischdecke, die Emma mit einem Girlandenmuster bestickt hatte. Eine
Plexiglasscheibe schützte die Oberseite, und darauf stand ein Wäldchen von
Likörflaschen, Aperitifs und Weinen, alle geöffnet, damit Kunden vor dem Kauf
eine Kostprobe nehmen konnten. Schüchtern unter dem Tischtuch verborgen standen
offene Kartons mit den gleichen Weinen bereit. Wir hatten wegen des Tisches
immer sehr viel umgesetzt – Spontankäufe, die zu mehr und mehr Nachbestellungen
führten. Gerard spielte interessiert mit den Flaschen, wie es so viele taten.
»Möchten Sie einen Blick hinter die Kulissen
werfen?« sagte ich, und er erwiderte: »Sehr gern.«
Ich zeigte ihm mein winziges Büro und auch den winzigen
Waschraum und den schon weniger winzigen Lagerraum dahinter. »Diese Tür«, sagte
ich, mit dem Finger deutend, »geht hinaus auf den Hof, wo wir die Wagen
abstellen und Lieferungen auf- und abladen. Sie bleibt normalerweise
verriegelt. Hier drinnen ist das Lager.« Ich schaltete Licht an, da im
Lagerraum kein Fenster war, und er betrachtete mit Interesse die
übereinandergestapelten Kisten, die rings an den Wänden und in einer
Doppelreihe bis zur Mitte angeordnet waren.
»Ich hatte nicht immer so einen Vorrat«, sagte ich.
»Am Anfang war es ein furchtbarer Kampf. Der Lagerraum war nahezu leer. In
manchen Wochen kaufte ich nachmittags Sachen ein, verkaufte sie am nächsten
Morgen und kaufte mit eben diesem Geld am selben Nachmittag wieder neu ein und
so weiter, wie ein Karussell. Haarsträubend.«
»Aber jetzt nicht mehr, wie ich sehe.«
»Hm, nein. Es hat aber einige Zeit gedauert, bis
wir bekannt wurden, denn früher war das hier keine Weinhandlung. Wir mußten
ganz von vorn anfangen.«
»Wir?« sagte er.
»Meine Frau.«
»Ach ja … Flora sagte …«
»Ja«, unterbrach ich tonlos. »Sie ist tot.«
Er machte mitfühlende Gesten mit den Händen, und
wir gingen zurück ins Geschäft.
»Wann schließen Sie?« fragte er und schlug vor, wir
könnten zusammen zu Abend essen.
»Ist neun Uhr zu spät?«
Neun Uhr ginge in Ordnung, sagte er, und um diese
Zeit kam er wieder und fuhr mit mir zu einem Restaurant, weit außerhalb meines
Einzugsgebietes. Es schien zwar ein langer Weg dahin, aber er hatte einen Tisch
reserviert und meinte, das Essen sei es wert.
Wir unterhielten uns auf der Fahrt über das Unglück
und unsere Expeditionen in dem Zelt, dann beim Essen über Flora und Jack und
anschließend über das Silver Moondance und Larry Trent. Wir aßen
Forellenmousse und danach Wildente, und er bat mich, den Wein auszusuchen. Es
wurde ein durchaus angenehmer Abend, der zweckfrei erschien; aber das war er
nicht.
»Was hielten Sie davon«, sagte er beiläufig beim
Kaffee, »ein Beraterhonorar einzustecken?«
»Wofür?«
»Für das, was Sie können. Einen Whisky vom anderen
unterscheiden.«
»Gegen das Honorar hätte ich nichts«, gestand ich,
»aber ich bin kein Experte.«
»Dafür haben Sie andere Qualitäten.« Seine Augen konzentrierten
sich, wie mir schien, plötzlich auf mein Gesicht, als könne er jede noch so
verborgene Regung darin lesen. »Beobachtungsgabe, Findigkeit und
Führereigenschaften.«
Ich lachte. »Doch nicht ich. Fehlanzeige.«
»Ich möchte Sie gern in Anspruch nehmen«, sagte er
nüchtern, »und zwar für eine einmalige Aufgabe.«
Ich sagte verwirrt: »Was für eine Aufgabe?«
Als Antwort griff er in eine Innentasche und zog
ein Blatt Papier hervor, das er auseinanderfaltete und, damit ich es lesen
konnte, auf dem Tisch ausbreitete. Mit einiger Verblüffung sah ich, daß es die
Fotokopie einer der Gelben Seiten des Branchentelefonbuchs war.
DETEKTIVE stand in Blockbuchstaben am oberen Rand.
Darunter dann mehrere stark hervorgehobene Kastenanzeigen und eine Spalte mit
kleineren Firmen. Das Wort »Ermittlungen« prangte durchweg an hervorragender
Stelle.
»Ich gehöre zum Führungsteam dieser Kanzlei«, sagte
McGregor und wies auf einen der größeren Kästen.
»Ein Privatdetektiv?« fragte ich erstaunt. »So
ungefähr das letzte, was ich vermutet hätte.«
»Mm.« McGregors Tonfall war trocken. »Wir nennen
uns lieber ermittelnde Berater. Lesen Sie die Anzeige.«
Ich tat, was er verlangte. »Deglet Ltd.«, hieß es
dort. »Umfassende
Weitere Kostenlose Bücher