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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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probiert?«
    »Ja«, sagte ich wieder.
    »Und Sie sind dort einem gewissen Paul Young begegnet?«
    »Ja.«
    Seine langsamen Blicke beendeten schließlich ihre
Wanderung und kamen auf meinem Gesicht zur Ruhe: »Können Sie ihn beschreiben,
Mr. Beach?«
    Deshalb ist er hier, dachte ich. Deswegen.
    »Sergeant Ridger …«, setzte ich an.
    »Sergeant Ridger hat eine vollständige Beschreibung
abgegeben«, sage er nickend. »Aber zwei Paar Augen … Mr. Beach?«
    Ich dachte zurück und schilderte, soweit ich
konnte, den Mann von dem Hauptbüro, das es nicht gab.
    »Ein Geschäftsmann«, sagte ich. »Um die Fünfzig.
Stämmig, eher klein, dunkelhaarig, blasse Haut. Große kräftige Hände. Keine
Ringe. Er trug eine schwarzgerahmte Brille, aber ein dünnes Gestell, kein
schweres. Er hatte … hm … Ansätze zu einem Doppelkinn … und ein
Hörgerät hinter dem rechten Ohr.«
    Wilson nahm die Beschreibung wohlwollend auf, ohne
mir irgendeinen Hinweis zu geben, ob sie sich mit derjenigen Ridgers deckte oder
nicht. »Seine Stimme, Mr. Beach?«
    »Kein besonderer Akzent«, sagte ich. »Gutes
Englisch. Ich bezweifle, daß er von Geburt an schwerhörig ist … er sprach
nicht tonlos. Er redete normal und verstand jedes gesprochene Wort. Man hätte
von seiner Schwerhörigkeit nichts geahnt, außer man sah das Hörgerät.«
    »Und sein Auftreten, Mr. Beach?«
    »Ein Tyrann«, sagte ich ohne Zögern. »Gewohnt, daß
man nach seiner Pfeife tanzt.« Ich dachte zurück. »Aber er wirkte nicht auf
Anhieb so. Ich meine, wenn er jetzt hier hereinkäme, würde er nicht aggressiv
wirken … aber er entwickelte sehr schnell Aggression. Sergeant Ridgers
Autorität paßte ihm nicht … er wollte ihn irgendwie unterkriegen.« Ich
lächelte ein wenig. »Sergeant Ridger war ihm ziemlich gewachsen.«
    Wilson schlug die Augen nieder, um jeden Kommentar
dazu für sich zu behalten, und sah dann blinzelnd wieder auf. »Sonstige
Eindrücke, Mr. Beach?«
    Ich überlegte. »Paul Young war eindeutig betroffen
darüber, daß so viele Flaschen die falschen Getränke enthielten.«
    »Weil sie sie enthielten oder weil man es entdeckt
hatte?«
    »Nun … zunächst dachte ich, aus dem ersten
Grund, aber jetzt … Er war überrascht und zornig, das steht fest.«
    Wilson rieb sich gedankenverloren die Nase. »Sonst
noch etwas, Mr. Beach? Irgendeine unbedeutende Kleinigkeit?«
    »Ich weiß nicht recht …«
    Eine Kundin kam an diesem Punkt wegen verschiedener
Dinge und verlangte eine ausführliche Quittung darüber, die ich ihr schrieb –
und der Vorgang des Schreibens rüttelte ein paar schlummernde Gehirnzellen
wach.
    »Paul Young«, sagte ich, als sie gegangen war,
»hatte einen goldfarbenen Kugelschreiber mit zwei breiten schwarzen Ringen am
oberen Ende. Er schrieb mit der rechten Hand, hielt aber den Stift zwischen dem
Zeige- und dem Ringfinger, die er dabei nach innen krümmte, so daß der Stift
oberhalb des Geschriebenen war, nicht darunter. Es sah sehr merkwürdig aus. Es
sah aus, wie Linkshänder manchmal schreiben … aber ich bin sicher, er war
Rechtshänder. Auf der Seite, mit der er schrieb, befand sich auch sein
Hörgerät, und ich fragte mich, warum er sich das Hörgerät nicht in sein
Brillengestell hatte einbauen lassen.«
    Wilson musterte ohne Neugierde das Seidenpapier, in
das seine Flasche eingewickelt war.
    »Erschien Paul Young Ihnen echt, Mr. Beach?«
    »O ja«, sagte ich. »Er benahm sich ganz eindeutig
so, als ob das Silver Moondance zu einer Organisation gehört, die ihn zu
ihren Führungskräften zählt. Anfangs sah es aus, als sei er nur gekommen, um
nach dem Tod Larry Trents in die Bresche zu springen, weil der Manager fort war
und der stellvertretende Manager die Grippe hatte. Der dritte in der Rangfolge,
der Stellvertreter des Stellvertreters, war so hoffnungslos, da schien es ganz
natürlich, daß sich das Hauptbüro einschaltet.«
    »Ein ziemlich großer Führungsstab, finden Sie nicht?«
murmelte Wilson. »Trent selbst, ein Manager, ein Stellvertreter, ein
vertretender Stellvertreter?«
    »Ich weiß nicht«, widersprach ich milde. »Ein
solches Lokal mit langen Öffnungszeiten, manchmal bis in die halbe Nacht, das
erfordert diese Anzahl. Und der zweite Stellvertreter kam mir bloß wie ein
aufgemotzter Laufjunge vor … armer Kerl.«
    Wilson vertiefte sich eine Weile ganz in die
südafrikanischen Sherrys und sagte dann: »Würden Sie Paul Young wiedererkennen,
Mr. Beach? Könnten Sie ihn aus einem Raum voller

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