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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Desert Palm aus Breezy City, gezeugt von Draughty City, der ein
Halbbruder von Goldenburgh war, dessen Vater bekanntlich das Arc de Triomphe
gewann.«
    Er hielt inne, als erwarte er einen Kommentar,
daher sagte ich entgegenkommend: »Eine interessante Zucht«, was die meisten
Eventualitäten abzudecken schien, einschließlich meiner völligen Unkenntnis
aller betroffenen Pferde.
    Er nickte bedächtig. »Amerikanisches Blut, versteht
sich. Draughty City war von einer Stute aus Chicago Lake, Michigan. Gute,
starke, harte Pferde. Ich habe Draughty City natürlich nie gesehen, aber mit
Leuten gesprochen, die ihn im Wettkampf erlebt haben. Eine Mischung von
amerikanischem und britischem Blut ist nicht zu übertreffen, sage ich immer.«
    »Da haben Sie sicher recht«, sagte ich.
    Orkney dozierte noch einige Minuten länger über
Breezy Palms Vorfahren, wobei ich hin und wieder passende Bemerkungen einflocht
und Flora sich am Rand meines Gesichtsfeldes langsam entspannte.
    Alle Fortschritte, die sie gemacht hatte, waren
jedoch hinüber, als an dieser Stelle die Dame von der Toilette kam, mit der
Orkney nicht verheiratet war; und sosehr Orkney auch Flora veranlaßte, sich
unbeholfen vorzukommen, es war offensichtlich, daß seine Freundin doppelt diese
Wirkung tat.
    Verglichen mit Flora war sie fünfzehn Zentimeter
größer, fünfzehn Zentimeter schlanker und ungefähr sechs Jahre jünger. Sie
hatte außerdem auffallend große graue Augen, einen langen schmalen Hals und
schimmernd geschminkte Haut, und sie trug fast die gleiche Kleidung, aber mit
deutlich mehr Grazie: Schneiderkostüm, gute Schuhe, hübscher Filzhut in
kleidsamem Winkel. Eine elegante, reife, kultivierte Schönheit.
    Für das Auge war es keine Konkurrenz. Flora wirkte
plump neben ihr und wußte es. Ich legte ihr den Arm um die Schulter und drückte
sie und dachte eine schreckliche Sekunde lang, ich hätte sie damit zum Weinen
gebracht.
    »Flora«, sagte Orkney, »Sie und Isabella kennen
sich ja … Isabella, meine Liebe, das ist Floras Geleitschutz, ehm …
wie war Ihr Name?«
    Ich sagte es ihm. Er sagte es Isabella. Isabella
und ich tauschten ein mittleres Begrüßungslächeln, und Orkney kehrte wieder zum
Thema der amerikanischen Ahnen zurück.
    Die Rennen kamen und gingen: erstes, zweites,
drittes. Wir fuhren jedesmal nach unten, um die Pferde zu begutachten, wenn sie
im Führring herumgingen, und kehrten in die Loge zurück, um uns das Rennen
anzuschauen. Orkney spielte ernsthaft, denn er trug sein Geld zu den
Buchmachern an den Rails. Isabella schwenkte Hände voller Wettscheine. Flora
sagte, sie könne sich mit Wetten nicht abgeben, sie wolle sich lieber
vergewissern, ob mit Breezy Palm alles stimmte.
    Ich ging mit ihr, um Jacks Reisefuttermeister
aufzustöbern (nicht den schleimigen Howard, sondern einen kleinen Dynamo von
Mann mit rastlosen, stechenden Augen), der geheimnisvoll erklärte, das Pferd
sei so gut drauf, besser ginge es gar nicht, und Mrs. Hawthorn brauche
sich keine Sorgen zu machen, es sei alles in Ordnung.
    Mrs. Hawthorn ließ seinen guten Rat natürlich
unbeachtet und sorgte sich weiterhin.
    »Warum haben Sie Orkney nicht gesagt, was wirklich
mit Ihrem Arm passiert ist?« fragte sie.
    »Ich bin nicht stolz darauf«, meinte ich nüchtern.
»Mag nicht drüber reden. Genau wie Orkney.«
    Flora, die immer Geschwätzige, seufzte tief. »Schon
komisch, mein Lieber. Das ist doch kein Grund zum Schämen.«
    Wir kehrten mit dem Lift zurück zur Loge, wo Flora
sehnsüchtig die immer noch verpackten Speisen betrachtete und mich fragte, ob
ich etwas zu Mittag gegessen hätte.
    »Nein«, sagte ich, »und Sie?«
    »Ich hätte dran denken sollen«, seufzte sie, »hab’s
aber nicht« – und dann erzählte sie mir von Orkneys Haß auf die Lieferanten.
    Orkney hatte keine anderen Gäste geladen. Er
erwartete offenbar, daß Flora und ich uns zu jedem Rennen in der Loge
einfanden, bat aber nicht ausdrücklich darum. Ein irritierender Gastgeber,
gelinde gesagt.
    Als wir auf dem Balkon darauf warteten, daß die
Teilnehmer des dritten Rennens aufgaloppierten, fragte er Flora, ob Jack einen
anderen Pächter für seine Stute gefunden hätte; er habe vergessen, ihn bei
seinem Anruf in der Klinik danach zu fragen.
    »Er sucht Ihnen bestimmt einen, sobald er nach
Hause kommt«, sagte Flora beschwichtigend, und an mich gewandt setzte sie
hinzu: »Orkney besitzt eins von den Pferden, die Larry Trent gepachtet hatte.«
    Orkney sagte ernst: »Meine Dreijährige

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