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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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ging mit kleinen ruckartigen Schritten zwischen der langbeinigen
Isabella und mir her, als wir uns Orkney im Führring anschlossen; nicht später
als irgendeine andere Trainer-Besitzer-Gruppe.
    Orkney frönte weiter seiner schlechten Laune, die
auch nicht nachließ, als Breezy Palm schließlich wie blankpoliert im Ring
auftauchte. Der Jockey, der, wie mir schien, aufgrund früherer Erfahrungen mit
ernster Miene herankam, wurde sarkastisch ermahnt, seinen Spurt nicht so
superspät wie voriges Mal anzusetzen und gefälligst nicht in den Boxen
einzuschlafen.
    Der federgewichtige Jockey hörte ausdruckslos zu,
sein Blick am Boden, sein Körper entspannt. Er kennt das alles schon, dachte
ich, und er gibt einfach nichts drauf. Ich überlegte, ob ich mir, wenn ich
Jockey wäre, für Besitzer, die solche Reden führten, das Herz aus dem Leib
reiten würde, und kam zu dem Schluß, wahrscheinlich nein. Breezy Palms
Ungewisse Aussichten wurden mir in diesem Augenblick zur Gewißheit – und wie
mochte Orkney erst bei einer Niederlage sein, wenn er im Hoffen schon so unausstehlich
war?
    Die Klingel rief die Jockeys zum Aufsitzen. Breezy
Palms Jockey ging, noch während Orkney ihn ermahnte, falls er zu sehr von der
Peitsche Gebrauch mache, werde er ihn vor die Stewards bringen.
    Flora stand so dicht bei mir, daß sie sich
praktisch an mich klammerte. Als Orkney sich umdrehte und aus dem Führring
marschierte, ohne auf Isabella zu warten oder auch nur, bis sein Pferd
bestiegen war, sagte sie zitternd zu mir: »Jack wird mit ihm fertig, aber ich
kann nicht, Jack greift ein, wenn er so mit den Jockeys umspringt. Einer von
ihnen hat sich geweigert, seine Pferde zu reiten … können Sie sich das
vorstellen?«
    »Mm«, sagte ich. »Müssen wir uns das Rennen von der
Loge aus ansehen?«
    »Ach du lieber Gott, ja«, sagte sie eindringlich.
»Zumindest … ich meine, Sie brauchen ja nicht … ich könnte alleine
rauf.«
    »Seien Sie nicht albern.«
    Ich schaute mich nach der schmucken Isabella um,
aber auch sie war verschwunden.
    »Sie sind beide wetten gegangen«, sagte Flora
seufzend. »Jack meinte, die Konkurrenz sei stark … Ich hab’ ja solche
Angst, daß Breezy Palm nicht gewinnt.«
    Wir fuhren mit dem Lift zu der leeren Loge hinauf.
Die Sandwiches und Törtchen waren immer noch eingepackt, doch der Ginpegel war
seit unserer Ankunft beträchtlich gesunken. Gin selbst, sinnierte ich, war bei
manchen Leuten ein notorischer Förderer boshafter Launen.
    Flora und ich gingen auf den Balkon, um die Renner
an den Start kommen zu sehen, und atemlos erschien Orkney, drängte sich ohne
Entschuldigung vor uns und hob sein Fernglas, um zu beobachten, welche Sünden
sein Jockey vielleicht jetzt schon beging. Isabella trat gelassen mit ihren
gebündelten Wettscheinen ein, und ich warf einen Blick auf die flimmernde
Totalisatoranzeige, um Breezy Palms Quote zu sehen. Sieben zu eins; keineswegs
der Favorit, aber recht ordentlich gesetzt.
    Es waren achtzehn Teilnehmer, darunter mehrere
frühere Sieger. Breezy Palm, der gut geführt wurde, ging ruhig in die Boxen und
weckte nicht den Eindruck, als würde er erneut den Hilfsstarter angreifen.
Orkneys leicht wahnsinnige Erregung schlug plötzlich in stille Konzentration
um, und eine Dreiviertelmeile entfernt flogen die dunkelgrünen Starttore im
Gleichklang auf und spien ihre leuchtende, beschleunigende Regenbogenfracht
aus.
    Flora hob ihr kleines Rennglas, doch bezweifle ich,
ob sie vor lauter Zittern etwas mitbekam. Dreiviertelmeilenrennen auf der
Geraden waren ohnehin im Anfangsstadium schwer zu erfassen, da die Renner sich
so weit weg befanden und direkt auf einen zukamen, und ich selbst brauchte
ziemlich lange, um Orkneys Jockey in Rot und Grau auszumachen. Der
Bahnsprecher, der Namen herunterrasselte, hatte Breezy Palm noch gar nicht
genannt, bis sie auf halber Strecke waren, doch ich konnte ihn sehen. Er hielt
mit in der Meute, ohne vorzustoßen oder zurückzufallen, und bewies in dieser
Phase lediglich, daß er nicht besser und nicht schlechter war als seine Gegner.
    Flora gab den Kampf mit ihrem Fernglas auf, ließ es
sinken und verfolgte die letzte Viertelmeile in schierer Angst. Die Traube der
Teilnehmer, die sich scheinbar langsam bewegt hatte, wurde plötzlich als
fliegend wahrgenommen, die winzigen verkürzten Abstände dehnten sich vor dem
Auge zu Lücken von einiger Länge, zu klaren Möglichkeiten und eindeutigen
Verlierern. Die jungen Hengste reckten ihre Hälse und bemühten

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