Weinprobe
Orkney selbst schenkte so freigiebig wie vorher frische
Drinks ein und deutete an, daß wir uns vielleicht alle um einen der Tische
herumsetzen könnten. Wir setzten uns. Wir aßen höflich und verbargen unseren
Hunger.
Als Feier nach dem Rennen gesehen, war es trauriger
als eine Beerdigung, aber allmählich legte sich Orkneys übelster Verdruß, und
er äußerte Kritik, die bewies, daß er zumindest verstand, was er gesehen hatte,
auch wenn es ihn nicht freute.
»Seine Aktion ist weg«, sagte er. »Im Juli, als er
siegte, hatte er einen besseren Gang. Sehr viel fließender. Das ist das einzige
Dumme bei Zweijährigen. Man glaubt, man hat ein Weltwunder, und dann fangen sie
an, sich ungleichmäßig zu entwickeln.«
»Nächstes Jahr könnte er besser sein«, gab ich zu
bedenken.
»Wollen Sie ihn nicht behalten? Es könnte sich
lohnen.«
Orkney schüttelte den Kopf. »Er wird nächste Woche
versteigert. Ich wollte heute einen Sieg, um seinen Preis zu heben. Jack wußte
das.« Der Nachhall des Grolls war noch stark.
»Larry Trent hätte ihn vielleicht gepachtet. Er
glaubte, wie Sie offenbar auch, daß sein Gang vielleicht wiederkommt, wenn er
erst ausgewachsen ist, aber darauf laß ich es nicht ankommen. Jährlinge kaufen
und verkaufen, das ziehe ich vor. Jedes Jahr andere Renner … viel
interessanter.«
»Sie haben keine Zeit, sie liebzugewinnen«, sagte
ich neutral.
»Stimmt«, nickte er. »Sobald man sentimental wird,
schmeißt man gutes Geld zum Fenster raus.«
Ich erinnerte mich daran, welche Freundschaft
meinen Vater mit seinen Hindernispferden verbunden hatte; wie er sie über viele
Jahre als Kameraden behandelte, wie er jedes Zucken von ihnen zu deuten lernte
und wie er gerade dasjenige geliebt hatte, das ihn ums Leben brachte.
Hinausgeworfenes Geld, sicher, aber als Gegengabe ein unerschöpfliches
Vergnügen, wie es Orkney nie empfinden würde.
»Dieser verdammte Jockey ist das Rennen zu spät angegangen«,
sagte Orkney, jedoch ohne übertriebene Heftigkeit.
»Breezy Palm gewann zum Schluß noch Boden. Das war
zu sehen. Hätte er ihn früher gefordert …«
»Schwer zu beurteilen«, sagte ich gedehnt.
»Ich sagte ihm doch, er sollte nicht zu spät raus.
Ich sagte es ihm.«
»Du hast ihn ermahnt, das Pferd nicht zu schlagen«,
meinte Isabella ruhig. »Du kannst nicht beides haben, Orkney.«
Aber Orkney konnte. Die ganze Zeit, während der
Sandwiches, des Käses und der Erdbeertörtchen, analysierte und erörterte er das
Rennen Schritt für Schritt, vorwiegend mit Mißfallen. Mein Einwand, daß sein
Hengst großen Sportgeist gezeigt habe, wurde akzeptiert. Nicht so Floras Plädoyer
für den Jockey. Ich bekam den ganzen Zirkus gehörig satt und fragte mich, wann
wir aufbrechen könnten.
Die Kellnerin erschien wieder am Eingang und fragte
Orkney, ob er noch etwas brauchte, und Orkney sagte ja, eine Flasche Gin.
»Und daß Sie mir Seagram’s bringen«, setzte
er hinzu. Die Kellnerin nickte und ging, worauf er zu mir sagte: »Ich bestelle Seagram’s nur, weil die Lieferanten den eigens besorgen müssen. Denen mache ich das
Leben nicht leicht, wenn’s auch schwer geht.«
Floras und Isabellas Gesichtsausdruck, sah ich,
waren identisch in gepeinigter Resignation. Orkney hatte sein Steckenpferd
bestiegen und würde weitere zehn Minuten über die Gastro-Lieferanten meckern.
Die Ankunft der neuen Flasche bremste ihn nicht, aber schließlich schien er
sich an meinen Beruf zu erinnern und sagte mit offenbar eben erst gereifter
Überzeugung: »Einheimische wie Sie sollten die Getränke liefern, nicht dieser
große Konzern. Wenn genügend Leute beim Vereinssekretär Beschwerde einlegen,
müßte man doch erreichen, daß das alte System wieder eingeführt wird, meinen
Sie nicht?«
»Käme auf einen Versuch an«, sagte ich
unverbindlich.
»Was Sie tun müssen«, beharrte er, »ist folgendes.
Sie müssen sich selbst als Alternative vorschlagen. Diesen verdammten
Monopolisten mal die Zähne zeigen.«
»Das wäre zu erwägen«, murmelte ich, ohne es im
mindesten ernst zu meinen, und er belehrte mich mit ermüdender Ausführlichkeit
darüber, was ich persönlich für die Logeninhaber in Martineau tun sollte,
einmal abgesehen von all den anderen Rennbahnen, wo dieselben Lieferanten das
Sagen hatten, und nicht zu reden von den anderen Lieferfirmen, die die
Rennbahnen des ganzen Landes unter sich aufteilten.
»Ehm … Orkney«, sagte Flora unsicher, als die
Tirade verklungen war, »also ich glaube, daß man
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