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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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angebaut wurde.
    Jede einzelne Flasche von den fünfzig Millionen,
die alljährlich aus der Region verschickt wurden, mußte amtlich geprüft und
bestätigt werden, mußte den Namen verdienen, den sie trug, mußte dem Ruf für
die Dauer ihres Lebens genügen. Und die Lebensspanne eines roten Bordeaux’
konnte erstaunlich sein … Bei Henri Tavel hatte ich selbst einen neunzig
Jahre alten gekostet, dessen Farbe immer noch gestrahlt hatte und der auf dem
Gaumen sang.
    Das Etikett eines Bordeaux-Weinschlosses zu
fälschen und auf ein amorphes Produkt der europäischen Weinschwemme zu kleben,
war eine Ketzerei solchen Grades, daß sie nach dem Scheiterhaufen schrie. Henri
Tavel wollte die Zusicherung, daß die Falscher von Caillot die Flammen
schmecken würden. Ich hatte nur das lahme Versprechen anzubieten, alle würden
ihr Bestes tun.
    »Es ist wichtig«, beharrte er.
    »Ja, das weiß ich. Wirklich, Henri, ich weiß es.«
    »Viele Grüße«, sagte er, »an Ihre liebe Mutter.«
     
    Das Leben ging am nächsten Tag, Mittwoch, normal
weiter, sofern ein ärgerlich juckender Arm als normal betrachtet werden kann.
Ich sollte am folgenden Nachmittag zur Nachuntersuchung ins Krankenhaus kommen,
und einstweilen trug ich meistens die Schlinge, da sie angenehm war und eine
gute Ausrede, um keine Kisten schleppen zu müssen. Brian war bei ihrem Anblick
in ängstliche Besorgnis geraten und entwand selbst einzelne Flaschen behutsam
meinem Griff. Mrs. Palissey schrieb die telefonischen Bestellungen auf, um
mir das Zucken zu ersparen. Ich fühlte mich verhätschelt und amüsiert.
    Sie und Brian fuhren zeitig mit den Lieferungen
los, weil es so viele waren; manche verspätet und manche im voraus, darunter
auch die Gläser und der Sekt für den »Achtzehnten« am nächsten Tag. Ich stand
im Laden, lächelnd, immer lächelnd wie gewohnt, und dachte nach, wenn ich
konnte.
    Kurz nach acht Uhr abends kam Gerard vorbei, der
grau und müde aussah und fragte, ob ich den verdammten Laden schließen und mit
ihm essen gehen könnte. Irgendwo an einem ruhigen Ort. Er wollte mit mir reden.
    Ich sah auf die erschöpften Linien seines Gesichtes
und die schlaffe Haltung seines sonst geraden Körpers. Ich war zwanzig Jahre
jünger als er und hatte keine Narkose bekommen, und wenn ich mich, obwohl ich
langsam trat, immer noch matt und erschlagen fühlte, dann mußte es bei ihm noch
schlimmer sein. Und vielleicht war die Ursache ja nicht bloß das Übermaß an
brennenden kleinen Stichwunden, sondern auch das Nachwirken des Pferdetransporters …
die Schauder der Todesnähe.
    »Sung Lis Essen könnten wir mit zu mir nach Hause
nehmen«, schlug ich zögernd vor, »wenn Sie möchten.«
    Er mochte, sagte er. Er würde außerdem das Essen
kaufen, während ich die Kasse machte und den Laden schloß, und wie lange das
dauern würde.
    »Noch eine halbe Stunde«, sagte ich. »Trinken Sie
einen Wein.«
    Er seufzte resigniert, setzte sich auf den Stuhl,
den ich aus dem Büro holte, und lächelte kläglich über unsere beiden Armbinden.
    »Schick«, sagte er.
    »Meine war Floras Idee.«
    »Vernünftige Dame.«
    »Ich hole den Wein.«
    Im Büro goß ich etwas echten Wein aus Saint-Estèphe
und etwas von der Silver-Moondance- Versionin zwei Gläser und
brachte sie hinaus an die Theke.
    »Probieren Sie beide«, sagte ich. »Sagen Sie, was
Sie denken.«
    »Was ist es denn?«
    »Erzähl’ ich Ihnen später.«
    »Ich bin kein Fachmann«, protestierte er. Er nippte
jedoch an dem ersten, rollte ihn im Gaumen herum und verzog das Gesicht, als
hätte er eine Zitrone gelutscht.
    »Sehr trocken«, sagte er.
    »Versuchen Sie den anderen.«
    Der zweite schien ihm besser zu gefallen, doch nach
einer Weile betrachtete er ihn nachdenklich und stellte das Glas behutsam auf
der Theke ab.
    »Nun?« fragte ich.
    Er lächelte. »Der erste ist anspruchsvoll. Der
zweite ist angenehm … aber leicht. Sie werden mir sagen, daß der erste
teurer ist.«
    »Ziemlich gut. Der zweite, der angenehme, aber
leichte Wein, stammt aus dem Silver Moondance. Der erste schmeckt
einigermaßen so, wie er dem Etikett nach sollte.«
    Er kostete die verschiedenen Bedeutungen aus.
»Viele gäben vielleicht der Fälschung den Vorzug. Leute, die nicht wissen,
worauf es ankommt.«
    »Ja. Ein gutes Gesöff. Nichts verkehrt daran.«
    Er nahm noch einen Schluck vom echten. »Kennen Sie
aber diesen erstmal, dann lernen Sie ihn schätzen.«
    »Wenn ich gerade einen hier hätte, würde ich Ihnen
einen der großen

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