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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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auf einigen Bahnen wirklich
schon von den Konzernen abgekommen ist und sich einheimische Lieferanten geholt
hat, also vielleicht … man kann nie wissen.«
    Orkney sah sie mit einer Verwunderung an, die
weniger auf dem zu beruhen schien, was sie gesagt hatte, als darauf, daß sie es
wußte. »Sind Sie sicher, Flora?«
    »Ja … ich bin sicher.«
    »Na bitte«, sagte er zu mir. »Worauf warten Sie
noch?«
    »Ich hätte nichts dagegen, die Getränke
aufzufahren«, sagte ich. »Aber was ist mit dem Essen? Das Essen, müssen Sie
zugeben, ist gut. Da übertreffen sich diese Lieferanten.«
    »Essen. Ja, ihr Essen ist in Ordnung«, meinte er
widerstrebend.
    Wir hatten jeden Krümel aufgezehrt, und ich hätte
noch mal soviel vertragen können. Orkney kam auf das Thema Breezy Palm zurück
und hatte zwei Drinks später selbst Isabellas Langmut erschöpft.
    »Wenn ich dich nach Hause fahren soll, Orkney, wird
es jetzt Zeit«, sagte sie. »Vielleicht ist dir entgangen, daß das letzte Rennen
vor zehn Minuten gelaufen ist.«
    »Wirklich?« Er sah auf seine Uhr und handelte
überraschenderweise sofort, indem er aufstand und seine Zeitungen zusammenlas.
»Also gut. Flora, ich werde mit Jack am Telefon reden … und ehm …«.
Er forschte in der Erinnerung nach meinem Namen, als auch wir anderen aufstanden.
»Nett, Sie kennengelernt zu haben, ehm … Tony.« Er nickte zweimal anstelle
des Händedrucks. »Sollten Sie noch mal mit Flora hier sein … immer
willkommen.«
    »Vielen Dank, Orkney«, sagte ich.
    Isabella beugte sich vor, um Flora in der Luft zu
küssen, zwei Zentimeter von ihrer Wange entfernt, und sah dann flüchtig auf
meine Armbinde. Wie Orkney fand sie wohl, daß ein Abschiedsgruß, bei dem man
sich nicht die Hand geben konnte, eine halbe Sache war.
    »Ehm …«, sagte sie, »sehr angenehm …«
    Sie gingen über den Korridor davon, und Flora
setzte sich abrupt wieder.
    »Gott sei Dank, es ist vorbei«, sagte sie
aufatmend. »Ohne Sie hätte ich das niemals durchgestanden. Gott sei Dank, daß
er Sie gemocht hat.«
    »Gemocht?« Ich war skeptisch.
    »Aber ja, mein Lieber, er hat Sie doch wieder
eingeladen, das war praktisch noch nie da.«
    »Wie hat ihn Isabella«, fragte ich, »zum Heimfahren
gekriegt?«
    Flora lächelte das erste sorgenfreie Lächeln des
Tages, ihre Augenfältchen vertieften sich vor Vergnügen. »Mein Guter, die
werden mit ihrem Wagen gekommen sein, und entweder bricht er auf, wann sie
will, oder sie schwirrt ab und läßt ihn stehen. Einmal hat sie das getan …
es gab ein schreckliches Theater, und Jack und ich mußten ihn in einen Zug
setzen. Denn wie Sie bemerkt haben, mein Lieber, schmeckt ihm sein Gin, und vor
ein paar Monaten mußte er auf dem Heimweg in das Röhrchen pusten und verlor seinen
Führerschein … aber er hat es auch nicht gern, daß man darüber spricht.«
     
    Nach dem Rennen, während der Abendschicht im
Laden, rief ich erneut Henri Tavel in Bordeaux an und lauschte ohne große
Überraschung seinen Neuigkeiten.
    » Mon
cher Tony, es gibt
kein Château Caillot in Saint-Estèphe. Es gibt kein Ch âteau Caillot im Haut Médoc. Es gibt in der ganzen
Region Bordeaux kein Château Caillot. «
    »Man hätte es sich denken können«, sagte ich.
    »Was den Négodant Thiery et Fils angeht …«,
das schwere gallische Schulterzucken reiste fast sichtbar durch die Leitung, »…
es gibt niemand namens Thiery, der Négociant in Bordeaux ist. Wie Sie
wissen, bezeichnen manche Leute sich als Négociant, die nur Papier
bearbeiten und nie den Wein sehen, den sie verkaufen, doch selbst darunter gibt
es keinen Thiery.«
    »Sie waren äußerst gründlich, Henri.«
    »Das Fälschen von Weinetiketten ist eine ernste
Angelegenheit.«
    Seine tief vibrierende Stimme spiegelte eine
Empörung wieder, die darum nicht weniger echt war, daß sie keine Überraschung
enthielt. Für Henri Tavel, wie für alle Weingutsbesitzer und Händler in
Bordeaux, ging Wein über die Religion. In dem Bewußtsein und dem Stolz, den
besten Wein der Welt zu produzieren, arbeiteten sie nach strengen bürokratischen
Richtlinien, die 1855 im Médoc festgelegt und seither nur geringfügig verändert
worden waren.
    Immer noch sprachen sie von 1816, einem
untrinkbaren Jahrgang, als wäre er ihnen frisch in Erinnerung. Sie wußten, an
welchem Tag jeden Jahres die Weinlese begonnen hatte, noch über 1795 hinaus
(24. September). Sie wußten, daß in ihren Rebgärten seit mindestens zweitausend
Jahren ununterbrochen Wein

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