Weinstrassenmarathon
Katrin kannte, den er der Telefonauskunft als Anhalt hätte geben können. Gedankenverloren ging Röder zur Festhalle zurück, den Ausschank des Männergesangsvereins links liegen lassend, der offensiv mit Schorle und Schlachtplatte lockte. Im Weingut nebenan spielten gerade »Die Idole« auf und coverten die Achtziger, was das Zeug hielt.
»Röder!« Scheller, Hellingers Nachbar, legte seine groÃe Pranke auf seine Schulter. »Haben Sie Hellinger gefunden?«
Er war in Begleitung von Frau Weidmann, die Röder im vergangenen Jahr im Rahmen der Ermittlungen zum Tod ihres Mannes kennengelernt hatte. Sie nickte zum GruÃ, und Scheller, der nicht immer der beste Freund von Hellinger gewesen war, fuhr fort.
»Ich mache mir echt Sorgen um ihn, ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass er vor dem Weinfest freiwillig verschwindet. Soweit ich weiÃ, hat er keine Schulden mehr, aber hier entgeht ihm ein hübsches Sümmchen.«
»Ist er vielleicht zu seiner Frau ins Schwäbische gefahren?«
»Zu Katrin? Das glaube ich nicht. Die beiden hatten einen riesigen Zank, und sie fuhr mit dem Pimpf zu ihren Eltern. Sie will sich scheiden lassen«, fügte er leise hinzu.
»Vielleicht will er seine Ehe retten und lässt deshalb das Weinfest sausen. Wissen Sie, wie ich Katrin erreichen kann?«
»Hm, das glaube ich nicht, aber ich habe tatsächlich ihre Nummer auf meinem Handy. Sie gab sie mir, bevor sie fortfuhr. Für alle Fälle. Warten Sie, ich schicke sie Ihnen per Bluetooth.«
»Was ist das denn?«
»Bluetooth, das hat Ihr Handy auch. Damit kann man Daten von einem Handy auf andere übertragen. Sie müssenâs nur aktivieren. So, jetzt müsste es gehen.« Eine blaue Leuchtdiode an Schellers Handy sendete auÃerirdische Signale.
»Empfänger antwortet nicht. Haben Sie Ihres nicht eingeschaltet? Geben Sie mal her.« Scheller tippte auf Röders Handy rum. »Empfänger antwortet nicht. Das ist ja komisch.« Er hatte in jeder Hand ein Handy und versuchte, eine Telefonnummer von einem Handteller zum anderen zu funken.
»Männer und ihre Spielzeuge«, mischte sich Frau Weidmann ein. »Wie wäre es, wenn du Herrn Röder die Telefonnummer vorsagst, und er tippt sie ein und wählt?«
In diesem Augenblick gesellte sich Anastasia zu ihnen und gab Röder einen freundschaftlichen Kuss auf die Backe. Scheller vergaà für einen Augenblick die Handys und blickte verzückt in die Richtung der jungen Frau. »Mann, ist Ihre Tochter aber groà geworden!«, stieà er geistesgegenwärtig hervor, um die Situation zu entschärfen, und tappte damit in den nächsten Fettnapf.
»Oh, ich bin nicht Bens Tochter. Mein Name ist Anastasia Kaufmann. Ich bin gewissermaÃen eine Kollegin.«
Scheller entglitt sein Handy. Aber es fiel zum Glück weich, da es in der gestutzten Buchsbaumhecke landete, die den Festplatz einsäumte. »Ach so, Kollegin, gewissermaÃen«, stammelte er. Er gab Röder das Handy zurück, nannte ihm die Nummer und verabschiedete sich schnell.
Röder hatte Katrin gleich am Apparat. Nein, sie wisse auch nicht, wo er sich herumtreibe, das sei ihr eigentlich auch piepegal.
»Er wollte sich mit dir aussprechen. Ihm ist es nicht piepegal, er leidet ganz schön.«
»Dann sag ihm einen schönen GruÃ, wenn er wieder auftaucht, nun weià er, wie das ist. Er kann von mir aus hingehen, wo der Pfeffer wächst.«
»Vielleicht ist er verunglückt, als er auf dem Weg zu dir war«, gab Röder zu denken. Anastasia tippte ihn an und schüttelte den Kopf. Sie schien schon mehr zu wissen. Jedenfalls wurde Katrin nachdenklich. Helfen konnte sie ihnen trotzdem nicht.
»Woher weiÃt du, dass er keinen Unfall hatte?«, fragte Röder, nachdem er aufgelegt hatte.
»Man sucht nach ihm. Maria ist auch wie vom Erdboden verschwunden. Steiner hat eine Fahndung ausgelöst.«
»Vielleicht ist es das Beste so«, sagte Röder. »Ich habe jetzt wirklich Durst. Ich lade dich zu einer Schorle ein.«
Das Weinfest lief auf Hochtouren. Eine Polizeistreife fragte ein paar Kinder nach dem Ausweis und konfiszierte die Weinflaschen, die schon fast geleert waren. Jedenfalls gingen die Ordnungshüter, unterstützt von engagierten Eltern, in den letzten Jahren konsequent gegen den Alkoholmissbrauch von Kindern und Jugendlichen vor.
Röder und Anastasia
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