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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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entdecken und zu wecken.
    Sie lauschten
nämlich gebannt den Ausführungen eines feisten Typen im Jägerornat, der
selbstgefälligen Nonsens schwafelte und keine Tischmanieren hatte. Die beiden
Damen versuchten allen Ernstes auf seine Rede einzugehen, wo ein klares »Halt’s
Maul« sicher heilsamer gewesen wäre. Gerhard schickte einen Hilfe suchenden
Blick zu Baier hinüber, der gerade aufstand.
    »Muss euch den
Kollegen jetzt entführen, wir haben unsere Leichen noch nicht im Griff.«
    »Peterle, es ist
Weihnachten!«
    »Ja, ist Mördern
aber egal. Es gibt sie, meine lieben ehrenamtlichen Gutmenschen, die ihr hier
versammelt seid. Es gibt sie, auch an Weihnachten.«
    Seine Frau sah ihn
strafend an. Kopfschüttelnd stieg Baier in seinen Keller hinunter und
grummelte: »Jetzt frag ich Sie, Weinzirl: Was tut sich meine Frau da auf? Ist
dürr wie ein Stecken, isst nie was Gscheits. Die haben alle um die fünfzig
Magersucht bekommen, muss Magersucht sein. Wirkt sich in dem Alter viel
schlimmer aus als bei Teenagern. Falten am Hals wie diese Hunde, denen ihre
Haut nicht passt. Herrschaft Zeiten, Weinzirl, das heißt doch Fleischeslust und
nicht Knochenlust.«
    Gerhard war ihm
schmunzelnd gefolgt. Im Keller gab’s ein kleines Stüberl. Baier zauberte Dachs
und einen ordentlichen Ranken Geräuchertes aus dem Kühlschrank. Mit einem
französischen Opinel säbelte er es in hauchfeine Streifen. »Langen Sie zu,
Weinzirl.«
    »Wunderbar«, sagte
Gerhard und lehnte sich zurück. »Und nun sagen Sie mir bloß, wer dieser
Waidmann war.«
    »Jäger, Erbe,
Immobilienhai, Stenz, Heimsuchung der Lokalpolitik, der kommt Ihnen sowieso
bald mal unter. Herrschaft Zeiten, da habens doch eher die Nachgeburt
großgezogen! Verschonen Sie mich, Ihnen den genauer vorzustellen. So, und nun
gönnen wir uns was.« Baier zauberte einen kleinen stilechten Humidor hervor und
bot Gerhard eine Havanna an. Dazu kredenzte er einen kubanischen Rum, der
dunkelgolden und ölig ins Glas glitt. »Kuba ist meine Leidenschaft.«
    Gerhard kostete den
Rum, das war schon was anderes als der Stoff, aus dem die Cuba Libre bei seinem
ersten und einzigen Ausflug nach Mallorca gewesen war. Sie saßen, tranken und
rauchten. Gerhard ließ den Blick schweifen. Oben, fast unter der Decke, war ein
umlaufendes Regal montiert, auf dem an die hundert Bierkrüge standen. Kuba und
Bierkrüge, Respekt vor dieser Mischung, dachte Gerhard.
    »Alles Brauereien,
die ich getestet hab«, sagte Baier, der Gerhards Blick gefolgt war. Er zog eine
Schublade auf und legte einen opulenten Bildband über Krüge vor Gerhard ab.
Gerhard blätterte, wohl nicht hingebungsvoll genug. Plötzlich entriss ihm Baier
das Buch.
    »Das versteht ihr im
Allgäu draußen eh nicht.«
    Er starrte in sein
Rumglas, Gerhard starrte auch. Sie schenkten sich nach und schwiegen.
    Als Gerhard sich
verabschiedete, warf er noch einen kurzen Blick ins Wohnzimmer. Da war die
Nadelbaum-Fraktion wieder in voller Entfaltung. Gerhard winkte Frau Baier zu,
die eine schlanke, anmutige Tanne gab, die sich himmelwärts reckte. Gerhard
fühlte sich wie eine knorzige alte Eiche, deren Äste es erdwärts zog.

5
    Als Gerhard nach
einem frühen Abstecher nach Ogau – er hatte Josefa Heringer und Helga Kölbl
noch mal zu der Anti-Strahlen-Initiative befragt – mit noch immer schwerem
Rum-Schädel gegen zehn Uhr an diesem 27. Dezember die Inspektion betrat, war
Baier schon hochenergetisch. Schlaf schien der Mann nicht zu brauchen. Er hatte
zwei leichte Weiße auf seinem Tisch aufgebaut, reichte Gerhard eins und
prostete ihm zu.
    »War bei diesem
Rechtsanwalt von Brösig. Rechtsbeistand der Initiative. Betonung auf von. Wohnt
in Murnau mit unverbaubarem Blick übers Moos. Weiße Architektenvilla, kennen
Sie so was? Ist einer von der Sorte: Fahren Sie mich hin, wohin Sie wollen. Ich
werde überall gebraucht.«
    Gerhard lachte.
»Und, wo haben Sie ihn hingefahren?«
    »Am liebsten zur
Hölle, so ein aufgeblasener Stenz. Aber er hatte natürlich ein Alibi, ein
bombensicheres. Er war beim Bürgermeister und anderen Honoratioren zum
Mittagessen geladen. Zitiere: ganz informell. Herrschaft Zeiten!«
    »Nun, meine Ausbeute
ist besser.« Gerhard schlug seinen Uli-Stein-Notizblock auf. »Ich bin mit den
Damen Kölbl und Heringer mal die Anti-Mobilfunk-Initiative durchgegangen. Da
gibt es einen gewissen Stuckenzeller. Sie nennen ihn in Ogau den Prozessor.
Weil er gegen Gott und die Welt prozessiert. Muss ein streitbarer Zeitgenosse
sein.

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