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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Recht: Mittelmäßigkeit kam nie vor,
Zufriedenheit höchst selten. Ich habe mich selber nie gut behandelt, mich
selber nie gelobt. Wie kann ich dann erwarten, dass es andere tun? Dass du es
tust? Fährst du mich bitte zu meinem Auto?«
    Mehr als nicken
konnte er nicht. Der Abgrund des Schweigens zwischen ihnen reichte so tief wie
der Marianengraben. Als sie in Tankenrain in ihren Jeep stieg, reichte er bis
zum Mittelpunkt der Erde. Dort wo Höllenkräfte brodeln und Höllenqualen. Sie
stieg ohne ein weiteres Wort in ihr Auto. Gerhard hob die Hand einige
Zentimeter, um zu winken. Dann sank die Hand wieder erdwärts.

11
    Gerhard hatte tief
und traumlos geschlafen. Er war ein Klotz, ein Tölpel. Musste man nicht träumen
nach so einem Tag? Als er in die Inspektion kam, kam ihm Baier entgegen.
Kampfeslust im Blick. »Was glauben Sie, Weinzirl?«
    »Momentan glaub ich,
dass ich weit besser drauf bin als gestern.«
    »Gut, denn jetzt
kommt Bewegung in die Sache.«
    »Ja?«
    »Ja! Am Messer in
unserem Berliner Freund waren zwar keine Abdrücke zu finden, am ganzen Mann
nicht, aber wo, glauben Sie?«
    Gerhard zuckte mit
den Schultern.
    »An diesem
Schnitzvieh waren die von Matzke, logisch, aber auch genau dieselben Abdrücke,
die wir auf Kölbls Augenlidern gefunden haben!«
    »Öha! Des isch
kähl!«
    »Nicht schon wieder
kähl! Bayerisch, Weinzirl? Ihr Allgäuerisch ist mir nicht geläufig. Das haben
Sie doch schon mal gesagt?«
    »Na ja, das ist
ungewöhnlich, geil, krachad, schrill.« »Kähl« war nun mal schwer zu übersetzen.
    »Also hängen die
drei Toten doch zusammen? Gehen wir mal davon aus, dass Herr oder Frau
Unbekannt Kölbl liebevoll zur Ruhe gelegt hat, Draxl fies erwürgt und Matzke
bestialisch ermordet?«
    »Gehen wir mal davon
aus, ja!«
    »Dann hat er oder
sie Kölbl gemocht, Draxl schon weniger und Matzke richtig gehasst?«
    »Man könnte es so
deuten«, sagte Baier sibyllinisch.
    »Könnte es Hareither
gewesen sein?«
    »Nun, das werden uns
seine Fingerabdrücke und sein Alibi für die Mordzeit von Matzke, früher Morgen
am 1.1., zweifelsfrei sagen. Wir fahren nach Ogau. Nehmen uns Hareither zur
Brust, drücken seine Griffel ins Kissen und besuchen zudem Frau Kölbl und
klären, ob Draxl in Kölbls Leben eine Rolle gespielt hat.«
    Als sie nach
rasender Fahrt bei Hareither klingelten, öffnete Sabine Hareither und gab an,
dass ihr Mann im Pfarrgemeinderat sei, aber in Kürze erwartet wurde. Sie
kündigten an, später wiederzukommen, und auf den besorgten Blick der netten
Sabine schickte sich Baier an eilfertig zu erklären: »Nichts Spezielles,
gnädige Frau. Wir haben bloß noch eine Frage.«
    »Na, die ist wohl
Ihre Altersklasse?«, fragte Gerhard lächelnd.
    »Nette Frau und nicht
so dürr«, brummte Baier nur.
    Sie nutzten die Zeit
zu einem Gespräch mit Helga Kölbl, die zwar kurz stutzte, aber dann sofort
reagierte. Natürlich war ihr Draxl ein Begriff, ein alter Schulfreund ihres
Mannes, der auch aus Maxlried stammte.
    »Er hat wenig aus
dieser Zeit erzählt. Meinem Mann war es peinlich, aus einer so armen Familie zu
stammen. Johann Draxl, ja, jetzt erinnere ich mich, dass er uns früher, also
vor Jahren, öfter mal besucht hat, und sie waren im Februar nach Jahren
zusammen in Berlin, ich weiß noch, dass meinem Mann das Ganze unangenehm war.
Johann, der war stolz. Stolz, ein Maxlrieder zu sein. Stolz, sich durchgebissen
zu haben. Er hat im Bergwerk gearbeitet wie Schorsch auch. Er war stolz darauf,
anders als mein Mann. Für ihn muss es die Hölle gewesen sein.«
    *
    Fuizbuam
Frühling 1956
    »Schau, das ist so
viel Geld! Hundertachtzig Mark, das ist dreimal so viel, wie andere Lehrlinge
bekommen. Du schaffst das schon«, sagte Karli und wusste, dass Schorschi es
nicht schaffen würde.
    Hansl stand daneben
und nickte zustimmend. »Genau, denk an das viele Geld, deine Leut zu Hause
können’s gut gebrauchen.«
    Sie saßen im
Plötzbräu, ein seltener Luxus, der auch erst möglich geworden war, seit Hansl
und Schorschi als Lehrlinge im Bergwerk arbeiteten. Sechzehn musste man sein,
um unter Tage zu schuften, seit vier Wochen waren Hansl und Schorschi nun im
Lehrstollen. So ein Treffen im Plötz hatte fast exklusiven Charakter, denn
Karli und Pauli bekamen die Freunde selten zu sehen. Die schliefen nämlich nach
der Arbeit, schliefen, schliefen, schliefen. Sie hatten einen Peißenberg-Tag
eingeführt und trafen sich immer dienstags, mal im Glückauf, mal in der Neuen
Anlage, im Plötzbräu oder

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