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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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schlüpfte heraus. Nur kurz stand die Person im Lichtschein. Es war
Magda, die Göttin. Karli wollte sie rufen, aber seine Stimme erstarb. Die
Göttin war am Haus entlanggeeilt und verschwand an der Nordseite plötzlich. Sie
wurde gleichsam verschluckt. Karli war ihr gefolgt, sein Herz war lauter als
der Donner des abziehenden Gewitters, das immer noch in Oberammergau in den
Felswänden grummelte. Karli entdeckte eine Tür, dort also war sie verschwunden.
Er drückte sie auf und fand sich in einem Keller wieder. Er hörte leise
Stimmen. Er wandte sich nach rechts und stolperte über einen Absatz. Langsam
gewöhnte sich sein Auge an das Dunkel. Vor ihm baute sich ein Riese auf, er war
nahe daran zu schreien, bis er merkte, dass es ein gewaltiger, senkrechter
Boiler war. Die Stimmen kamen von einem Raum noch weiter hinten. Wieder zwei
Boiler, diesmal in der Waagerechten, in Brusthöhe montiert. Und von rechts
hörte er es. Nein, sie. Er hörte sie.
    »Sei nicht so grob.
Wie sagt ihr? Du Lackl?« Sie lachte schrill. So lachte eine Göttin doch nicht.
    »Du willst es doch,
du Fluckn. Du brauchst es!«
    Karli kannte die
Stimme. Er war eine Stimme, die ihn sein Lebtag begleitet hatte. Eine Stimme,
die ihn angebrummt hatte, ihn ausgeschimpft, eine Stimme, die ihn oft
verspottet hatte. Eine Stimme, die ihn nie mit Worten liebkost hatte. Es war
die Stimme seines Vaters. Karli musste sich fast zwingen, nach rechts zu sehen.
Er kauerte nun unter den beiden Boilern und spähte nach rechts.
    Eine halbblinde
Laterne baumelte an einem Ventil und beleuchtete dicke Rohre und wieder
seltsame Boiler. An so einen war die Göttin gelehnt. Nicht gelehnt, nein,
genagelt, gezwungen! Der Mann vor ihr hatte mit einer Pranke ihre beide
Handgelenke umfasst und hochgerissen, dass ihre Arme weit nach oben überstreckt
waren. Gefesselt ohne Fesseln. Die andere Pranke hatte eine kleine weiße Brust
umschlossen, walkte sie, und dann zogen Daumen und Zeigefinger an der
Brustwarze. Karli konnte sehen, wie die Brustwarze sich dehnte. Die Frau schrie
auf, der Mann lachte. »Halt’s Maul, Stadtschlampe«, sagte er. Plötzlich ließ
seine Pranke von ihren Brüsten ab und löste seine Hose. Die Krachlederne sank
zu Boden. Auch die zweite Hand löste sich nun. »Mach!«, herrschte er die Frau
an, die langsam auf die Knie sank. Er hatte die Pranken nun in ihrem Haar, das
den dreckigen Boden berührte. Dann riss er sie an diesen Haar hoch, packte sie
an den Hinterbacken und drückte sie gegen den Boiler. Ihre langen Beine lagen
um seine Hüfte. Ihrer beider Stöhnen vermischte sich, bis der Mann einen
Urschrei ausstieß. Sie glitt an dem Boiler zu Boden. Beide zogen sich an, es
war auf einmal grabesstill, bis sie sagte: »Wann sagst du es deiner Frau?«
    »Ich habe nichts zu
sagen.«
    »Hast du, sonst sage
sich es ihr.« Wieder dieses schrille Lachen. »Du wirst mich heiraten.«
    Der Vater brummte
etwas. Der Lichtschein bewegte sich. Er hatte die Lampe von einem der Ventile
der Rohre genommen, an dem sie gehangen hatte. Sie schwenkte von dannen und mit
ihr die beiden Menschen. Die Frau und der Mann. Aber das war nicht eine Frau,
nicht ein Mann. Das war seine Göttin, das war sein Vater. Karli kauerte noch lange unter den waagerechten Boilern. So lange, bis seine Tränen ein Meer waren.
    Am nächsten Tag kam
Hansl vorbei. »Sie sind wieder da!«
    »Und!« Karlis Stimme
war aggressiv. Er wandte sich zum Gehen.
    »Na, wir müssen
sehen, dass wir beim Sommerfest aufspuin. Sie planen was am Wochenende«, rief
Hansl und hielt ihn an der Schulter fest.
    »Mir egal, was die
planen!« Er gab Hansl einen Stoß, dass der fast gestürzt wäre.
    »Spinnst du? Was ist
los?«
    »Nichts ist los!«
    »Dann spui mer am
Wochenende.«
    Sie spielten. Wie
hätte Karli auch erklären sollen, warum er nicht spielen wollte. Sie spielten,
und diesmal war es an ihm, überallhin zu sehen, nur nicht dorthin, wo er in
ihre dunkelbraunen Augen hätte eintauchen müssen. Sie erwischte ihn auf einem
Gang, als er hinausgehen wollte, um sich zu erleichtern.
    »Karli. Warum
begrüßt du mich nicht?« Sie hüpfte neben ihm her, ihr Rock schwang um ihre
dünnen gebräunten Knie. Hexen hatten dürre Knie. Sie versuchte sich bei ihm
einzuhängen.
    Er stieß sie weg.
Sie taumelte und sah ihn entsetzt an. Und dann flackerte in ihren Augen etwas
auf. Verstehen. Ein jähes Verstehen. Sie packte ihn am Arm und zog ihn in eine
Nische.
    »Du weißt?«
    Karli schwieg und
starrte zu Boden.
    »Du weißt von

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