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Weiskerns Nachlass

Weiskerns Nachlass

Titel: Weiskerns Nachlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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allerdings überhaupt nicht, was Sie wollen.«
    Der Beamte schaut sich ungerührt den Inhalt der Tasche an. Er bittet Stolzenburg, das Reisenecessaire zu öffnen. Dann nimmt er das Buch und das Manuskript in die Hand und blättert beides sorgfältig durch, Seite für Seite, wie es Stolzenburg scheint.
    »Sie können wieder einpacken. Ich darf Sie bitten, Ihren Mantel und das Jackett auszuziehen.«
    »Was zum Teufel suchen Sie?«
    In dem Moment, als er die Frage stellt, kennt er die Antwort und lacht laut auf.
    »Ach so«, sagt er vergnügt, »ich verstehe. Ich komme aus der Schweiz zurück, aus dem Steuerparadies, und Sie suchen Geld bei mir. Sie suchen Schwarzgeld, nicht wahr?«
    Der Beamte antwortet nicht.
    »Leeren Sie bitte die Taschen. Alle Taschen«, sagt er.
    »Bei mir sind Sie an der falschen Adresse, guter Mann. An der völlig falschen Adresse. Ich habe kein Geld in der Schweiz. Ich habe kaum Geld in Deutschland, da kann ich nicht auch noch Konten in anderen Ländern eröffnen. Dafür habe ich nicht den richtigen Beruf. Ich bin Wissenschaftler, Dozent, verstehen Sie? Da sammeln sich keine Reichtümer an, leider.«
    Der Beamte schaut sich ungerührt an, was Stolzenburg aus seinen Taschen kramt und auf den Tisch legt. Dann lässt er sich den Mantel und das Jackett reichen und tastet beides ab.
    »Danke. Sie können sich wieder anziehen. Und ich hoffe, Sie erreichen Ihren Flieger«, sagt der Beamte, als er die Kleidungsstücke auf den Tisch legt, sich umdreht und aus dem kleinen Raum geht. Die Tür lässt er offen.
    Stolzenburg zieht sich rasch an und packt all seine Sachen in die Tasche. Bevor er den Raum verlässt, vergewissert er sich mit einem Blick, dass er nichts vergessen hat. Seine schlechte Laune ist verweht, und als er den Beamten, der ihn untersuchte, an der Tür zur Gepäckausgabe sieht, winkt er ihm freundlich zu und lachtnochmals laut auf. Er eilt zu dem Flieger nach Leipzig, er rennt durch die Gänge, immer noch vergnügt von der Vorstellung, der Beamte habe in ihm einen Mann mit einem Schweizer Konto vermutet.
    Natürlich, sagt er sich, früh hin und abends zurück, der Kerl hatte völlig recht, genau das sind vermutlich die Typen, die man mit einem Bündel Scheinchen erwischen kann. Nur, dass er nicht für einen kleinen Bankbesuch den Flug unternahm, sondern für einen schlecht bezahlten Vortrag und dass er nur deswegen am selben Tag zurückfliegen muss, weil die Hochschule kein teures Quartier in Basel für ihn bezahlen will, selbst Gotthardt hat kein Geld mehr. Auch die Schweizer Kunsthochschule scheint pleite zu sein, bezahlt nur noch Billigflieger und spart an Honorar und Quartier.
    Als er am nächsten Gate seine Tasche zur Kontrolle auf die Rollen vor dem Röntgengerät legt und gefragt wird, ob sich ein Laptop darin befinde, schüttelt er den Kopf. Er komme aus der Schweiz, erklärt er, in der Tasche befänden sich nur Banknoten und Wertpapiere. Er sagt es lächelnd, ein kleiner Scherz, den der Angestellte hinter der Absperrung auch versteht. Dennoch, und belustigt nimmt Stolzenburg es zur Kenntnis, beugt sich der Mann zu seinem Kollegen hinüber, um einen Blick auf den Bildschirm zu werfen, auf dem sich der Inhalt seiner Tasche schemenhaft abbildet.
    Am Flughafen steht Patrizia. Sie hatte ihm eine Nachricht geschickt und wartet vor dem Flughafen neben ihrem Auto. Er küsst sie flüchtig, sagt, dass es nicht nötig sei, ihn abzuholen, und überreicht ihr den roten Mohairschal.
    »Für mich?«, fragt sie überrascht.
    »Nein, für meine Mutter«, knurrt er gereizt und setzt sich auf den Beifahrersitz. Sie fragt ihn nach der Veranstaltung und ob er etwas Schönes in Basel gesehen habe, eine Ausstellung vielleicht. Er antwortet unlustig und einsilbig. Als sie mit dem Auto in seine Straße einbiegen, sagt sie, dass sie heute bei ihm bleiben könne.
    »Ich bin erledigt, ich bin völlig fertig«, erwidert er, »ich fürchte, ich werde heute Nacht wie ein Holzfäller schnarchen.«
    »Du bist müde«, sagt sie tonlos und reibt sich nervös die Finger, »ich verstehe. Die Reise war für den Herrn zu anstrengend.«
    Sie ist gekränkt. Als er aus dem Auto gestiegen ist, fährt sie weiter, ohne sich zu verabschieden oder zu winken.

Fünf
    Am nächsten Tag muss er nicht ins Institut. Er bringt den Aufsatz über Kleist zu Ende und schickt ihn, nachdem er ihn zweimal durchgelesen hat, umgehend an den Herausgeber. Dann gönnt er sich am Nachmittag den Luxus, an seinem Lieblingsprojekt zu arbeiten. Seit

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