Weiß (German Edition)
hörte es knacken und wimmerte leise auf. Der Grubenbauer schnaufte verächtlich, drückte noch einmal einen Hauch fester zu und stieß Lewin dann von sich.
„Du bist jämmerlich. An dir mach ich mir meine Hände nicht schmutzig. Aber wenn ich dich noch einmal in der Nähe meiner Jungs erwische, dann kannst du was erleben!“
Für eine winzige Sekunde blitzte in Lewin der irre Gedanke auf, dass die Hände des Grubenbauers ohnehin niemals sauber waren, aber zu seinem Glück gelang es ihm, diesen Einfall schnell wieder zu verdrängen. Stattdessen richtete er demütig den Blick auf den Boden und wartete, bis der Schatten des riesigen Mannes verschwunden war. Dann rappelte er sich langsam auf, klopfte sich den Staub aus der Hose und rieb sich das schmerzende Schultergelenk. Wenn er bei Galen angelangt war, würde dieser sich gleich auch seinem ramponierten Körper widmen können.
Sieben
Lewin hatte ungefähr eine halbe Stunde gebraucht, bis er bei Galens Haus ankam. Auf dem Weg hierher war er nach der Begegnung mit den Grubenbauers auf keinen weiteren Menschen getroffen. Sie verbargen sich noch immer in ihren Häusern, um der brüllenden Hitze zu entgehen. Dafür hatte er am Straßenrand zwei weitere tote Katzen entdeckt. Er hatte es zwar vermieden, sich den Tieren mehr als unbedingt notwendig zu nähern und hatte sie stets nur mit einem Abstand von mindestens 4 Schritten betrachtet. Diese Entfernung war ihm aus irgendeinem Grund sicher vorgekommen. Er glaubte nicht, dass Viren oder Bakterien so weit springen konnten und wenn die ganze Sache über die Luft übertragen wurde, wäre er jetzt ohnehin bereits krank gewesen. Beide Katzen waren offenbar an derselben Krankheit verendet, wie die Katze am Morgen. Aus ihren Mäulern war ebenfalls die weiße Flüssigkeit getropft. Sie hatte in der heißen Sonne bereits begonnen glasige Blasen zu schlagen.
Lewin schritt die fünf Stufen zum Eingang von Galens Praxis hinunter und wunderte sich, als er das winzig kleine Schild, das auf Namen und Berufsstand des Bewohners hinw ies, nirgends entdecken konnte. An der Stelle, an der es sonst hing, war jetzt einfach nur das nackte Mauerwerk zu sehen. Nichtsdestotrotz drückte Lewin auf den grauen Knopf, der neben dem Türknauf an der Hauswand angebracht war. Der Knopf war so winzig, dass man ihn ohne hinweisendes Schild, kaum als Klingel erkennen konnte. Aber Lewin kannte sich aus und wusste, wie er sich im Inneren der Wohnung Gehör verschaffen konnte.
Er wartete eine Weile, aber niemand öffnete ihm. Da er nicht unhöflich oder drängend sein wollte, zählte er in Gedanken langsam bis zehn, bevor er die Miniaturklingel ein weiteres Mal betätigte. Auch jetzt rührte sich nichts hinter der verschlossenen Tür und Lewin runzelte die Stirn. Es war nicht üblich, sich hier einen Termin geben zu lassen. Soweit Lewin wusste, ließ sich kaum jemand in Weiß von Galen behandeln, weshalb er immer sofort ins Behandlungszimmer hatte durchgehen können. Galen schien nie mit anderen Dingen beschäftigt gewesen zu sein und hatte immer Zeit für ihn. Umso mehr verwunderte es Lewin nun, dass er durch die verschlossene Tür nicht den kleinsten Laut vernehmen konnte.
Er streckte vorsichtig die Hand aus und umfasste mit den Fingern den gusseisernen Türknauf. Langsam begann er den Knauf zu drehen und zu seiner eigenen Überraschung sprang die Tür mit einem hörbaren Klick auf.
Behutsam drückte Lewin seine Finger gegen das kühle Holz und schob die Tür so weit auf, dass er einen Blick in den dahinter liegenden Raum werfen konnte. Der schmale Flur, von dem auch das Behandlungszimmer abging, war vollkommen unbeleuchtet und abgesehen von ein paar Schemen konnte Lewin nichts erkennen.
„Dr. Galen?“
Seine Stimme klang zögernd und war wesentlich leiser, als Lewin es beabsichtigt hatte. Er räusperte sich.
„Dr. Galen?“
Dieses Mal hatte er deutlich lauter gerufen, wartete aber dennoch vergeblich auf eine Antwort. Während er mit zusammengekniffenen Augen noch immer in die Dunkelheit der Wohnung starrte, glitten seine Finger suchend über die Hauswand. Ohne hinzusehen betätigte Lewin noch einmal die Klingel und zuckte erschrocken zusammen, als das surrende Geräusch in einer unerwarteten Lautstärke durch die Wohnung rauschte. Wenn Galen sich in seiner Wohnung befand, musste er dieses Klingeln gehört haben.
Lewin zögerte. Der Arzt seiner Wahl war zwar zurzeit nicht hier, hatte seine Wohnungstür aber unverschlossen gelassen. Ein erster
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