Weiß (German Edition)
immer das für eine Krankheit war, Präventivmaßnahmen konnten nicht schaden. Lewin würgte die Tablette seine viel zu trockene Kehle hinunter und öffnete dann schwungvoll die Tür zum nächsten Raum. Er sah keinen Zweck mehr darin, sich leise oder behutsam in der fremden Wohnung zu bewegen. Galen war nicht hier und er würde mit Sicherheit nicht schneller zurückkommen, wenn er sich in normaler Lautstärke bewegte.
Hinter der Tür lag ein kleines, aber ordentliches Badezimmer. Das kam ihm gelegen. Hastig trat er auf das Waschbecken zu und trank einen Schluck aus dem Hahn, um die Tablette, die den Weg hinab in seinen Magen noch immer nicht ganz geschafft hatte, herunter zu spülen.
Als der erste Tropfen des kalten Nass' seine Lippen berührte, fiel Lewin auf, wie durstig er war. Gierig ließ er das Wasser in großen Zügen seine Kehle hinunterlaufen und spritze sich dabei immer wieder etwas von der klaren Flüssigkeit in sein überhitztes Gesicht. Als er genug getrunken hatte, drehte er den Hahn zu, richtete sich langsam auf und warf einen Blick in den Spiegel, der über dem Waschbecken angebracht war. Zu seiner Verwunderung erschreckte ihn sein eigener Anblick dieses Mal weitaus weniger, als es noch im Laden des Rollaschek s der Fall gewesen war.
Die Schläge von Kneif hatten ihn scheinbar doch nicht so schlimm erwischt, wie es am Morgen noch den Anschein gehabt hatte. Die Schwellung an seinem Auge war bereits deutlich zurückgegangen und auch seine Nase war viel weniger dick, als er es in Erinnerung hatte. Auf seiner Lippe waren außer getrock netem Blut keinerlei Spuren zurückgeblieben.
Lewin schüttelte erstaunt den Kopf und blinzelte ein paar Mal ungläubig seinem Spiegelbild zu. Dann drehte er rasch den Wasserhahn erneut auf und begann , sich das Gesicht gründlich zu waschen. Für einen flüchtigen Augenblick kam ihm der Gedanke in den Sinn, dass sein Arzt es nicht schätzen würde, wenn einer seiner Patienten sich in seinem Badezimmer heimlich dass verkrustete Blut einer verlorenen Prügelei aus dem Gesicht kratzte. Aber dieser Gedanke verflog so schnell wieder wie er gekommen war. Galen war nicht da und würde, wenn er zurückkäme, nicht einmal wissen, dass Lewin überhaupt hier gewesen war.
Nachdem er sein Gesicht mit reichlich Wasser und Seife gereinigt hatte, warf Lewin einen erneuten Blick in den Spiegel und lächelte zufrieden. Tatsächlich, unter all dem schmutzigen Blut sah sein Gesicht überhaupt nicht schlimm aus. Wahrscheinlich hatte er heute Morgen nur unter Schock gestanden, sodass er seinen eigenen Zustand falsch eingeschätzt hatte.
Der Blick in den Spiegel beruhigte ihn vor allen Dingen in Bezug auf das Treffen mit der geheimnisvollen Lydia. Nachdem er sich bereits heute Morgen vor ihr blamiert hatte, wollte er am bevorstehenden Abend den bestmöglichen Eindruck bei ihr erwecken.
Er riss seinen Blick vom Spiegel los und trat erneut hinaus auf den Flur. Er musste jetzt wirklich herausfinden, was es mit dieser Krankheit auf sich hatte. Im Grunde verwunderte es ihn ohnehin, dass er noch immer so ruhig blieb. Immerhin hatte er schon mehrere Katzen und den schönen Aaron an dieser merkwürdigen Seuche zugrunde gehen sehen. Etwas schien heute tatsächlich anders zu sein als sonst. Aber konnte das alles wirklich an der Begegnung mit Lydia liegen?
Gedankenverloren öffnete Lewin die Tür zum nächsten Zimmer und blieb urplötzlich wie angewurzelt stehen. Seine Kinnlade klappte langsam nach unten und seine Augen glotzten groß in den leeren Raum hinein.
Hier gab es absolut nichts, was ihm weiterhelfen konnte.
Wie bereits im Behandlungszimmer waren auch hier weder ein Computer noch Bücher zu erkennen. Zusätzlich fehlten allerdings auch die Stühle, der Tisch und die Pritsche; das gesamte Zimmer war wirklich vollkommen leer.
Verdutzt trat Lewin in den Raum hinein und schaute sich um, ob er nicht vielleicht doch etwas übersehen hatte, aber auch jetzt blieb das Zimmer vollkommen leer. Wer zum Teufel besaß eine Wohnung mit einem Raum, der absolut leer war?
Nun gab es nur noch einen Raum in dieser Wohnung und Lewin konzentrierte all seine Hoffnung auf diese letzte verschlossene Tür. Ein weiteres leeres Zimmer und er würde vor Enttäuschung laut aufheulen.
Mit feuchten Händen drückte Lewin die Klinke nach unten und stieß die Tür auf. Über seine Lippen kam ein kleiner quietschender Laut, der aber keineswegs Ausdruck einer bodenlosen Enttäuschung, sondern vielmehr Zeichen einer
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